D-Day sorgt für Freundschaftsgesten

Am 60. Jahrestag der alliierten Landung an der Atlantikküste versichern sich Frankreich und die USA ewige Freundschaft. Bundeskanzler Schröder nennt den Angriff auf deutsche Besatzer ein „Symbol für die Demokratie und die Menschenrechte“

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

Veteranen aus den 14 beteiligten Ländern wurden gestern Nachmittag in dem Küstenstädtchen Arromanches von Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac mit Medaillen ausgezeichnet. Die Männer, die alle über 80 Jahre alt sind und von denen einige im Rollstuhl zur Zeremonie kamen, gehören zu den 153.000 alliierten Soldaten, die im Morgengrauen des 6. Juni 1944 in der Normandie gelandet sind. Die größte Militäroperation zur See eröffnete eine zweite Front und leitete die militärische Wende im Krieg gegen Deutschland ein. Elf Monate brauchten Sowjetunion und westliche Alliierte danach noch zum Sieg über Nazi-Deutschland.

60 Jahre danach erhielten die Veteranen gestern minutenlang stehenden Applaus von 22 Staats- und RegierungschefInnen. Erstmals waren an der Gedächtniszeremonie in der Normandie auch ein russischer Staatschef sowie ein deutscher Kanzler dabei. An den Letzteren richteten sich große Erwartungen. Gerhard Schröder hatte vorab erklärt, die Deutschen seien sich ihrer historischen Verantwortung bewusst. Seine Teilnahme an der Zeremonie wertete er als Anerkennung für die Reife der deutschen Demokratie. In einem Interview sprach Schröder zugleich von seiner „Scham“ für das Massaker, das die SS-Einheit „Das Reich“ wenige Tage nach der alliierten Landung an 642 BewohnerInnen in dem Provinzstädtchen Oradour-sur-Glane verübt hatte.

Die Mehrheit der Franzosen akzeptieren die Anwesenheit Schröders bei der Zeremonie in der Normandie. Laut einer gestern veröffentlichten Umfrage empfinden 84 Prozent der Franzosen seine Teilnahme als „überwiegend positiv“.

In den Wochen nach der alliierten Landung waren in der Normandie 60.000 alliierte Soldaten, 75.000 Wehrmachtssoldaten und mehr als 20.000 ZivilistInnen bei dem langsamen Vormarsch der Alliierten in Richtung Paris ums Leben gekommen.

Weniger freundlich als Schröder empfingen die Franzosen den US-Präsidenten Georg Bush. Am Samstagnachmittag demonstrierten Zigtausende in Paris gegen den Krieg im Irak. „US go home“ lautete einer ihrer Slogans.

Hingegen tauschten der französische Staatspräsident Jacques Chirac und Bush innige Freundschaftserklärungen aus. Der Franzose sagte „merci aus tiefstem Herzen“ und versicherte die Amerikaner der „ewigen Freundschaft der Franzosen“. Umgekehrt versuchte Bush die Vorwürfe von „Verrat“ und „Feigheit“ vergessen zu machen, die in Washington seit dem Irakkrieg gegenüber Paris zirkulieren. „Frankreich war der erste Freund der Amerikaner“, sagte Bush. Damit meinte er die Unterstützung Frankreichs im US-amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gegen Großbritannien Ende des 18. Jahrhunderts. Auch andere SpitzenpolitikerInnen nutzten die Gedächtniszeremonie für Zwecke aktueller Politik. Der britische Regierungschef Tony Blair erklärte die alliierte Landung zu einem Symbol für die bleibende Bedeutung der transatlantischen Beziehungen. Schröder sagte, in der Normandie gehe es „nicht mehr um Sieg oder Niederlage“. Und damit auch nicht mehr um einen „Sieg gegen Deutschland“. Sondern um ein „Symbol für die Freiheit, die Demokratie und die Menschenrechte“.

Die Zeremonie der Staats- und RegierungschefInnen in der Normandie wurde von militärischen Defilees zu Wasser, zu Lande und in der Luft und verschiedenen Festakten begleitet. Unter anderem organisierten die Küstengemeinden in der Nacht zum Sonntag große Feuerwerke. Über dem Ort Sainte-Mère-Église sprangen gestern Vormittag wie schon im Juni 1944 Fallschirmspringer der Royal Air Force ab. Auf mehreren Soldatenfriedhofen wurden Kränze niedergelegt. Ausnahme: der deutsche Soldatenfriedhof La Cambe, wo auch SS-verantwortliche des Massakers von Oradour-sur-Glane liegen.

Gestern Abend fand im Memorial-Museum von Caen eine deutsch-französische Zeremonie statt. Sie wurde von Chirac und Schröder gemeinsam präsidiert.