Serotonin rockt

Die japanische Band „Mono“ lässt die wabernden „Tokyo Flashback“-Revisionisten weit hinter sich und überzeugt durch Musik, in der sich die Zuhörer verlieren können

Wann durftest du dich das letzte Mal in Musik verlieren? Gab es dort, im leeren Raum zwischen Klang und Kopf, auch so lange, dunkle Korridore und gleißende Blitze? Bewegten sich die Wände? Roch die Luft nach Wald, Meer und Nacht? Nicht? Dann wird es aber mal wieder höchste Zeit. Während ihr Name Schlichtheit verspricht, bauen Mono musikalisch mächtige Klötze, besser: einen Irrgarten aus Monolithen. Schwarze Dinger, die glänzen, wenn man sich ihnen nähert. Sich hier zu verlieren ist einfacher als Jack Nicholson im Schneelabyrinth zu folgen.

Nach Bands wie Acid Mother Temple oder Ghost lassen Mono die Welle von wabernden „Tokyo Flashback“-Revisionisten hinter sich, um sich einen Schritt nach hinten und zwei nach vorn zu wagen. Ihre von Gitarren getragenen Kompositionen verlieren sich in endlosen Spannungsbögen, ihre am Noise entlang schrammelnden Ausbrüche beschwören die Wall of Sound-Architekten der 80er, von Glenn Branca über Sonic Youth bis zu Loop. Bei aller Reminiszenz becircen Mono jedoch mit Details, die dezent, aber bestimmend eine verzauberte Stimmung erzeugen. Während sich ihre japanischen Landsleute im Reproduzieren von Klangklischees erschöpfen und zeitgenössische Wegbegleiter mit ihren elektronischen Versatzstücken in der Post-Rock-Hölle schmoren, beflügeln Mono ihr Erbe mit jedem zarten Streichen des Cellos.

2000 gegründet, veröffentlichten Mono ihr erstes Album auf Tzadik, dem Label des notorischen Nippon-Hipsters John Zorn. Der Titel „Under The Papal Tree“ verweist auf den Baum, unter dem Buddha erleuchtet wurde. Untersuchungen haben ergeben, dass die Früchte des Baums Serotonin enthalten, also den körpereigenen Neurotransmitter, der unter anderem für die leidigen Gefühle, den kleinen Bruder des Todes und unseren Appetit sorgt, kurz: der Stoff aus dem die Träume sind. Ein Mangel an Serotonin in bestimmten Hirnregionen führt oft zu Depressionen, Angstzuständen und Zwangsstörungen.

Ein Mangel an Musik, in der man sich verlieren kann, führt zu ähnlichem Ungemach. Der im Frühling erschienene Nachfolger „One Step More And You Die“ gibt sich nur im Titel martialisch, musikalisch haben sich Mono lediglich etwas veredelt.

Ein Abend wie dieser verdient nichts weniger als einen spektakulären Support: Unter dem Namen Sweet Prince Hadexee garantiert eine bekannte Hamburger Band ähnliches Verlustieren in majestätischen Klanglandschaften. Lost in music – selten war es schöner und einfacher als heute. LARS BRINKMANN

heute, 21 Uhr, Markthalle