1.001 Italien ist Rom zu kompliziert

Der Leiters des italienischen Kulturinstituts muss Ende Juli seinen Posten räumen. Der in Berlin hoch gelobte Kulturpolitiker ist bei der Berlusconi-Regierung in Rom in Ungnade gefallen. Die Vorwürfe klingen absurd

Grass, Enzensberger und Wenders unterstützten Perone – ohne Echo aus Rom

von TOMAS FITZEL

In Berlins italienischem Kulturinstitut am Anhalter Bahnhof türmen sich Umzugskartons. Am Montag begann der Umzug in die neue alte Botschaft. Und wenn das alles erledigt ist, dann muss einer gehen. Seit dem Wochenende ist es amtlich: Ugo Perone wird aus Berlin abberufen. Zwei Jahre lang führte er als Direktor das italienischen Kulturinstitut. Er war der erfolgreichste, den Berlin bisher hatte. Selbst seine vorgesetzte Behörde in Rom bescheinigte ihm, dass das Berliner Institut die beste Arbeit leiste. Nirgendwo wurde Italien besser präsentiert.

Wenn das italienische Kulturinstitut sich inzwischen ganz selbstverständlich inmitten der Berliner Kultur bewegt und von einem breiten Publikum angenommen wird, wie das gerade erst zu Ende gegangene Festival La Dolce Vita unter Beweis stellte, dann ist das Perones Verdienst. Er professionalisierte die Kulturarbeit in einer Weise, wie man dies von ihm als Religionsphilosophen zu Anfang eigentlich nicht erwartet hatte.

Aber schon zuvor war er acht Jahre lang Kulturdezernent in Turin. Das nationale Filmmuseum, um das er sich verdient gemacht hatte, ragt nicht nur mit seinem spitzen Turm der Mole Antonelliana weit über die Dächer Turins, es ist das schönste Europas. Professionell war er, weil er die verschiedenen Kulturinstitute in Berlin, als deren Sprecher er fungierte, untereinander vernetzte, unermüdlich Geld auftrieb und ein Gespür für die richtigen Mitarbeiter hatte, die, so ist zu befürchten, ebenfalls gehen müssen.

Carmen Morese etwa baute ein Literaturprogramm auf, um das sie manche Literaturhäuser beneiden könnten. Die Leiter der Berliner Literaturhäuser sowie Autoren wie Günter Grass, Hans Magnus Enzensberger oder der Regisseur Wim Wenders, die Verleger Klaus Wagenbach und Inge Feltrinelli und viele andere unterschrieben eine Unterstützerliste für Ugo Perone. Sie fand kein Echo in Rom.

Warum er gehen muss, das begreift niemand, noch nicht einmal Perone selbst. Man entließ ihn ohne Gründe. Auf zwei Jahre ist der Vertrag befristet, wird aber um zwei weitere Jahre verlängert, wenn nicht gegenteilige Gründe vorliegen. Perone wird daher gegen die Abberufung vor dem Verwaltungsgericht Klage einreichen. Noch einige Tage zuvor hatte man ihm nach einem positiven Gutachten versichert, sein Vertag würde verlängert.

Die Gründe versteht man eventuell später, wenn irgendwann – und das kann dauern – ein neuer Direktor kommt. Dann wird man sehen, welcher Partei dieser nahe steht. Die Direktoren in Brüssel und New York hatte die Regierung Berlusconi bereits ausgewechselt, die Moskauer Direktorin Mariolina Doria de Zuliani trat entnervt zurück.

Perone war noch von der Mitte-links-Regierung ernannt worden, verhielt sich in seiner Amtszeit immer loyal und gab sich klug zurückhaltend. Das bewahrte ihn jedoch nicht davor, Anfang des letzten Jahres von Staatssekretär Mario Baccini, der Italien in aller Welt nur noch positiv dargestellt wissen wollte, scharf angegriffen zu werden. Ihm wurde zur Last gelegt, dass auf der Berlinale der Dokumentarfilm über den G-8-Gipfel in Genua gezeigt wurde. Dass die Berlinale-Leitung nicht vorher Ugo Perone um Erlaubnis fragen würden, auf diesen Gedanken kam man in Rom offenbar nicht.

Es gibt ein italienisches Wort menefreghismo. Das bezeichnet eine Haltung, die den Italienern an den Italienern am meisten verhasst ist, die Haltung des „Mir ist alles scheißegal“. Und damit lässt sich die gegenwärtige italienische Politik am besten beschreiben. Zwei Jahre erfolgreicher Kulturaufbau werden zerschlagen. Einfach so.

Geplant war von Perone ein Seminar über den EU-Konvent zusammen mit Giulio Amato für Anfang November. Das nächste Festival nach „La Dolce Vita“ sollte „Le mille e una Italia heißen“ – die tausendundein verschiedenen Italien. Aber momentan zeigt sich Italien wohl nur von einer einzigen und sehr unschönen Seite.