DER IRAK HAT JETZT EINE ÜBERGANGSREGIERUNG MIT BESCHRÄNKTER MACHT
: Bremer herrscht nicht mehr allein

Der Irak hat eine Übergangsregierung. Denn nichts anderes ist der nunmehr gegründete Regierungsrat. Es ist allerdings eine Regierung mit eingeschränkten Vollmachten. Das eigentliche Sagen wird weiterhin die angloamerikanische Koalition haben, ohne ihren Segen werden alle Ratsbeschlüsse null und nichtig sein. Das mag man bemängeln, aber so ist nun mal die Rechtslage. Die UN-Resolution 1493 hat die USA und Großbritannien als Besetzungsmächte anerkannt und ihnen de facto die Regierungsgewalt über das Zweistromland übertragen.

Trotzdem ist der Rat mehr als nur ein Feigenblatt für die Besatzer. Der oberste amerikanische Zivilverwalter für den Irak, Paul Bremer, wird künftig die Zustimmung der Ratsmitglieder benötigen, will er nicht als Alleinherrscher erscheinen. Er wird Geschick beweisen müssen: Die im Rat versammelten Geistlichen und Politiker drängen auf eine stärkere Machtbeteiligung, und sie werden sich bemühen, ihr politisches Profil zu schärfen. Als Diener fremder Mächte wollen sie nicht erscheinen.

Das Handicap des Rates ist, dass er nicht das Ergebnis freier Wahlen ist, sondern eines zäh ausgehandelten Kompromisses. Dass die Männerriege dabei nur drei eher unbekannte Frauen in ihre Reihen aufnahm, ist bedauerlich. Allerdings hat es auch in Deutschland lange gedauert, bis der Frauanteil in der Politik die 10-Prozent-Hürde überschritt. Ungerecht ist indes der Vorwurf, ehemalige Exilanten würden das Gremium dominieren. Wo, wenn nicht im Exil, sollten sich die Gegner Saddams organisieren? Die innere Emigration, das zeigen die langen Listen der Ermordeten, haben nur wenige überlebt.

Nach 35 Jahren Baath-Diktatur ist der Irak ein ethnisch, religiös und politisch tief in sich gespaltenes Land. Deshalb hat es auch keinen Václav Havel oder Zoran Djindjić hervorgebracht, der das Land gegen alle Widerstände von der Diktatur in die Demokratie führen könnte. Dem trägt die Zusammensetzung des Rats Rechnung.

Dass dabei erstmals in der Geschichte des Zweistromlandes die Schiiten ein leichtes Übergewicht in einem wichtigen politischen Gremium haben, ist ein ebenso wichtiges Signal wie die Beteiligung der beiden kurdischen Regierungsparteien. Die Zeiten ihrer Ausgrenzung und Unterdrückung sind endgültig vorbei. Genauso wichtig ist aber, dass mit den sunnitischen Islamparteien, den beiden Fraktionen der schiitischen Dawa-Partei und der Kommunistischen Partei ausgesprochene Gegner des Kriegs eine Stimme haben.

So wie der Rat besetzt ist, könnte er also eine wichtige Rolle im Prozess des nation-building spielen. Mit der Sammlungsbewegung ehemaliger Baathisten, Wifaq (Nationale Eintracht), steht dabei auch den Wendehälsen des alten Regimes eine Tür offen. Das ist eine Chance für den Irak.

Allerdings braucht der Rat dazu die Autorität und finanziellen Mittel, um die angekündigte Wiederbelebung der maroden Infrastruktur und Wirtschaft in Gang zu bringen. Nur so kann er die nötige Akzeptanz bei der Mehrheit der Iraker finden. Diese sind frustriert darüber, dass sie bei Temperaturen von um die 50 Grad nicht ausreichend Strom und Wasser haben, und dass es keine Arbeit gibt. Gelingt es nicht, hier bald Abhilfe zu schaffen, wird das den Gegnern der angelsächsischen Koalition, aber auch denen des Regierungsrats, in die Hände spielen.

Schon jetzt werden zusehends Iraker, die mit der Koalition zusammenarbeiten, zur Zielscheibe von Anschlägen. Die Ewiggestrigen, die sich nicht mit dem Ende der Diktatur abfinden wollen, werden weiterhin alles tun, um die Sicherheit des Landes zu untergraben. Die Festnahmen von Afghanen, Saudis, Syrern, Jordaniern, Palästinensern und eines führenden kurdischen Islamisten machen deutlich, dass sie dabei auch die tatkräftige Unterstützung der islamistischen Internationale erhalten. Mit militärischen Mitteln allein ist den „Widerstandskämpfern“ nicht beizukommen. Bislang genießen sie beim Gros der Iraker keinen Rückhalt.

Damit die Terroristen in der Bevölkerung nicht an Einfluss gewinnen, braucht diese eine greifbare Zukunftsperspektive. Dazu zählt auch die Einlösung des Versprechens auf Demokratie. Mit der Bildung des Regierungsrats ist der erste Schritt in diese Richtung getan. INGA ROGG