Flieh, Fledermaus, flieh

Pustet der Wind, laufen die Windkraft-Rotoren warm. Das ist verlockend für die Nachtflieger – und bisweilen tödlich. Schon ziehen Richter die Notbremse

Unten am Boden pflügen Trecker das Feld, am Himmel schaufeln Rotoren die Luft. Wie in vielen windverwöhnten Gegenden Norddeutschlands thronen auch über der flachen Ackerlandschaft von Midlum bei Cuxhaven inzwischen weiße Masten mit großen Rotoren. 70 Stück bilden den Windpark „Hohe Geest“.

Wenn die Nacht hereinbricht, huscht es wie Schatten in der Luft. Ein Mann am Boden hält ein handygroßes Gerät in der Hand, einen Bat-Detektor, der Ultraschall-Laute hörbar macht. Es knattert: Fledermäuse.

Eine davon, eine Breitflügelfledermaus, steuert geradewegs auf die Windkraftanlage zu. Immer näher kommt sie dem Rotor, im letzten Moment macht sie plötzlich kehrt. „Die Anlagen irritiert sie offenbar“, sagt Biologe Lothar Bach aus Bremen, der in Midlum fünf Jahre lang die Wirkung von Windkraftanlagen auf Fledermäuse untersucht hat.

Störungen beim nächtlichen Jagen scheinen indes eher zu den harmlosen Beeinträchtigungen zu gehören. Forscher konnten inzwischen nachweisen, dass die Rotoren Fledermäuse auch in Mengen töten können. Immerhin erreichen die Blätter an ihrer Spitze Geschwindigkeiten von über 200 Stundenkilometer. Und wenn in kühleren Nächten die Reibungswärme massenhaft Insekten anzieht, können Fledermäuse offenbar nicht widerstehen, ihnen zu folgen. Dabei geraten die fliegenden Säuger in heftige Turbulenzen und können von den Rotoren regelrecht zerschreddert werden. Das Verwaltungsgericht Dresden hat unlängst den Bau von zwei Anlagen im Landkreis Bautzen untersagt. Grund: erhebliche Kollisionsopfer beim Großem Mausohr und dem Großem Abendsegler.

„Über die wahren Ausmaße der tödlichen Kollisionen wissen wir viel zu wenig“, klagt Bach. Das Ausmaß der Opfer ist aber offenbar beträchtlich: bisher fanden Fledermaus-Forscher insgesamt zehn Arten in Deutschland tot unter Windmühlenflügeln. Solche Kollisionsopfer belegen auch Untersuchungen aus den USA: Besonders die hoch und schnell fliegenden Fledermausarten sind betroffen, weit häufiger sogar als Vögel. Sollten Windkraftanlagen zukünftig sogar mitten in Wälder gebaut werden, wäre dies für viele Fledermausarten schlicht eine Katastrophe. Denn hier leben viele besonders stark gefährdete Arten.

Die Mähwirkung von Rotoren spitzt sich im Frühjahr und im Herbst zu, wenn sich Fledermäuse auf Wanderschaft in den Süden begeben. Stehen Windparks mitten in ihren Flugrouten, könnte die Zahl der Opfer besonders hoch sein.

Im Gegensatz jedoch zum gut erforschten Zugverhalten von Vögeln ist bisher über Langstreckenbewegungen von Fledermäusen wenig Genaues bekannt. Für „unwahrscheinlich“, hält es Bach, dass den Säugern ihre Ultraschall-Orientierung, mit der sie ihre Beute orten, beim Flug gen Süden viel nützt: „Vermutlich orientieren sie sich wie Vögel unter anderem am Magnetfeld der Erde.“

Biologe Bach macht Vorschläge zur Schadensbegrenzung: Beim Bau neuer Anlagen müssten Mindestabstände eingehalten werden: Sie sollten 200 Meter weg von den Jagdrevieren von Fledermäusen stehen. „Und keine Windparks inmitten der Wanderstrecken oder in Wäldern! Dort, wo bereits Windkraftanlagen in den Zuggebieten von Fledermäusen installiert sind, sollten sie während der Zugzeit ganz abgeschaltet werden“, fordert er. Vor allem hält der Biologe genauere Untersuchungen für nötig. „Denn solange die Forschung weitgehend im Dunkeln tappt, bleiben auch unsere Kompromissvorschläge beim Bau neuer Anlagen vorläufig.“

             Jörn Hildebrandt