Karos Zukunft weiter ungewiss

Alice Schwarzers Spende hilft dem Sozialprojekt an der deutsch-tschechischen Grenzenur kurzfristig. Sächsische Regierung: Grenzprostitution verschwindet sowieso

BERLIN taz ■ Es bleibt dabei: Ab kommender Woche bekommt das grenzübergreifende Sozialprojekt Karo in Plauen kein Geld mehr. Der Fördervertrag mit der EU und dem sächsischen Sozialministerium für die Straßenarbeit in Tschechien läuft aus. Karos Antrag auf Unterstützung seiner Aids-Aufklärungsarbeit in Sachsen wird noch geprüft.

In dieser finanziellen Notlage kamen 125.000 Euro zur rechten Zeit. Alice Schwarzer hat sie gerade beim Prominentenspezial von der Quizshow „Wer wird Millionär“ für Karo gewonnen. „Wir sind sehr froh über das Geld, aber um unsere Arbeit längerfristig abzusichern, reicht es natürlich nicht“, sagte Projektleiterin Cathrin Schauer.

Karo unterstützt die tschechische Organisation Marita P., die im grenznahen tschechischen Cheb Frauen berät und kostenlose Aids-Tests anbietet. Mehrmals wöchentlich fahren die deutschen Sozialarbeiterinnen nach Tschechien und sind oft erste Ansprechpartnerinnen für die Prostituierten. Bekannt wurde Karo-Leiterin Cathrin Schauer vergangenes Jahr nach der Veröffentlichung ihres Buches „Kinder auf dem Strich“. Sie löste mit der These, dass es im Grenzgebiet mehr als nur Einzelfälle sexuellen Missbrauchs von Kindern gebe, eine Kontroverse aus.

Vergangenes Jahr wurde Karos Arbeit von der Evangelischen Hochschule für Sozialarbeit evaluiert. Die Studie bescheinigte zwar den Mitarbeiterinnen hohes Engagement, kritisierte aber auch ein „unklares und unentschiedenes“ Konzept. Mit der Evaluation habe die Einstellung der Förderung aber nichts zu tun, sagt Karltheodor Huttner, Sprecher des Sozialministeriums. „Denn die Förderung sollte nur ein Anschub sein.“ Das sieht Grünen-Landesgeschäftsführer Andreas Jahnel anders: „Es scheint so, als würde Karo für das Verkünden schlechter Nachrichten, die niemand hören wollte, abgestraft.“

Die sächsische Landesregierung hat noch ein anderes Argument dafür, warum Karo nicht mehr gefördert werden müsse. „Die Prostitution im Grenzgebiet wird jetzt nach dem EU-Beitritt Tschechiens und der Angleichung der Lebensstandards ohnehin langsam verschwinden“, sagt Karltheodor Huttner. Auch hier widerspricht die Opposition: „Die Tatsache, dass das mittelfristig tatsächlich geschehen mag, rechtfertigt nicht die kurzfristige Streichung der Gelder“, sagt Jahnel.

Auch Cornelia Ernst, Landesvorsitzende der PDS, spricht sich vehement gegen die Streichung von Geldern aus: „Die Kinderprostitution ist die Angelegenheit von Tschechien und Deutschland, und Karo ist als derartiges Projekt in der Grenzregion einmalig“, sagt sie. „Es sollte interministeriell gefördert und die paar Piepen zusammengekratzt werden.“ Schließlich profitiert auch die Polizei davon, wenn Cathrin Schauer und ihre Mitarbeiterinnen Informationen an die Behörden weitergeben, die sie von Prostituierten bekommen haben – deutsche Autokennzeichen zum Beispiel, von Männern, die nach Kindern gefragt haben. FRAUKE HINRICHSEN