Mit geschlossenen Augen

„Superstar“ Kurt Nilsen in Hamburg: Ein ganz normaler, ein netter Gitarrenpopper

Die Vorgeschichte ist bekannt: Zum vergangenen Jahreswechsel versammelten sich in London all die „Superstars“ oder „Pop Idols“ dieser Welt, um gegeneinander anzutreten. Haushoher Sieger wurde der unwahrscheinlichste Kandidat: Kurt Nilsen, 25, aus der norwegischen Küstenstadt Bergen. Ein gelernter Klempner und Vater zweier Kinder, der sich in Interviews gern geerdet gibt und von Kellerkneipen redet, in denen er mit seiner Band allabendlich aufgetreten ist.

Die vordringlichste Frage: Was mag jemand live können, der vor rund 100 Millionen Zuschauern zum „World Idol“, also zum Superstar aller Superstars, erkoren wurde? Am Sonntag hat er im Hamburger Grünspan einen von drei Deutschland-Terminen gespielt.

Begleitet von sechs Musikern, steht er da: Nicht groß, etwas pummelig, in schwarzem Hemd, blauer Jeans und mit strohblonder Egalfrisur. Er hat die Augen oft geschlossen, bewegt sich wenig, wackelt höchstens mal mit dem Mikroständer. Seine Stimme ist souverän, kippt zum Höhepunkt eines Liedes ins Falsett, so wie es auch all diese Brit-Sänger gerne einmal tun. Überhaupt scheint ihm die Beweisführung, dass er kein Playback-Futzi ist, sehr wichtig zu sein. So spielt er auch solo an seiner Akustikgitarre. Ein Typus wie unser Grand Prix-Sympathieträger Max, unspektakulär, nett und ganz bewusst „nicht abgehoben“.

Coverversionen füllen sein gerade mal einstündiges Programm wie „She’s So High“ von Tal Bachman oder „Beautiful Day“ von U2. Man mag sagen: Hey, der macht das gar nicht schlecht. Das Ding ist nur: Dies ist keine TV-Show, hier ist nicht der gequirlte Mist von all den Super-Alexanders-Daniels die Messlatte, sondern andere Gitarrenpopper, an die seine Musik manchmal erinnert. Die englischen Millionenseller Travis etwa, oder Starsailor, oder jegliche Songwriterband, wie es sie in England oder Skandinavien zuhauf gibt. Und für einen solchen Vergleich aus dem echten Musikleben ist seine Musik einen Hauch zu unoriginell. Es wäre billig, ihm die Teilnahme an dem „Pop Idols“-Wettbewerb zum Vorwurf zu machen. Eher könnte man dem Wettbewerb zum Vorwurf machen, dass er keinerlei musikalische Relevanz hat, wenn der Superstar gerade mal ein durchschnittliches, unterhaltsames Gitarrenpop-Konzert spielen kann. Bleibt also ein netter Kurt Nilsen, der sicherlich das Potenzial hat, auch in ein paar Jahren, wenn Gras über den TV-Kokolores gewachsen ist, erneut hier zu stehen: in einem halbvollen Grünspan mit geschlossenen Augen an der Akustikgitarre. Volker Peschel