Als Spiel mit dem Vorhang versteht sich die Vortrags-Perfomance „Lever De Rideau - Die Szene Des Vorhangs“ im Schauspielhaus
: Mehr als ein Stück Stoff

„Vorhang auf!“, heißt es regelmäßig im Theater. Da teilt sich der rote Samtkoloss und gibt den Blick frei auf das lang ersehnte Bühnenspiel. Das war damals, als noch der Guckkasten angesagt war. Die Avantgarde und Bert Brecht verabscheuten den Bühnenvorhang als Trennung zwischen Schauspielern und Publikum, Bühne und Tribüne, Fiktion und Realität.

Was zu Brechts Zeiten revolutionär und politisch motoviert war, ist heutzutage in den Mainstream eingegangen. Vorhänge sieht man kaum noch, außer vielleicht im Varieté, und das gewollt, um die nostalgische Note zu betonen. Im Theater übernimmt das Licht oft die Aufgabe der Trennung. „Nun erlebt der Vorhang allerdings gerade eine Renaissance, wenn auch in einer anderen Funktion als zur Guckkastenzeit“, erklärt Sibylle Peters. Die Projektemacherin will das mit ihrer Vortragsperformance Lever De Rideau – Die Szene Des Vorhangs jetzt im Schauspielhaus zeigen.

Ihre Mitperformerin Gabriele Brandstetter wird in ihrem Vortrag folgende These durchdeklinieren: „Der Vorhang ist nicht mehr Grenze, sondern Figur in der Szene, Figur zum Publikum.“ „Eine Metapher für das Zuschauen, so wie das Augenlid des Zuschauers, das zu- und aufgeht und so die Unterscheidung trifft, was man sieht und was nicht“, erklärt Peters. Ein Plädoyer für die Wiederkehr des Vorhangs in anderer Funktion soll die Veranstaltung werden. Peters will das Theaterinteresse „auf die rituellen Rahmungen des Theaters lenken: Einlass, Licht aus, Stille, Vorhang. Und in unserer Vortrags-Performance steht der Vorhang für das Spiel mit diesen Rahmungen.“ Auch die zugehörige Performance spielt mit Vorhängen aller Art. Der rote Hauptvorhang posiert mal als Hauptdarsteller, tritt dann hinter einen transparenten Kollegen zurück. Sibylle Peters projiziert Bilder von Vorhängen auf Vorhänge, lässt Bühnenarbeiter Vorhang-Anekdoten erzählen und lädt das Publikum ein, hinter den Vorhang auf die Bühne zu treten.

Brandstetter wird derweil mal sichtbar vor, mal unsichtbar hinter der Masse Stoff stehen und die Frage stellen: „Wie ändert sich der Vortrag, wenn der Standpunkt der Vortragenden sich ändert?“ So verschmelzen Theorie und Praxis, Wissenschaft und Kunst. Das Theater wird so zum experimentellen Labor, die Zuschauer stellen sich den Fragen, die der Vorhang aufwirft, zum Beispiel: Wie weit erzeugt der Vorhang Begehren nach dem, was man nicht sieht?

Die Idee zur Veranstaltung lieferte Peters‘ Beobachtung, dass derzeit „das so genannte Theater-Beiprogramm wieder an Bedeutung gewinnt: Regisseur und Dramaturg suchen in einer Sonderveranstalung das Publikumsgespräch.“ In Peters‘ Kulturverständnis eine Fehlentwicklung. „Denn hier wird die Trennung von direktem Eindruck und Reflexion künstlich getrennt. Dabei ist Theater doch längst beides gleichzeitg.“ Auch von den Vorhangperformances Jérôme Bels ließen sich Peters und Brandstetter inspirieren. Dessen Tanzstück The Show Must Go On wird das Ensemble des Schaupielhauses im Anschluss an Lever De Rideau zeigen. Katrin Jäger

Do, 17.6., 20 Uhr, Schauspielhaus. Danach: „The Show Must Go On“ von Jérôme Bel