Kommentar: Orientierungslose SPD
: Revolte, vor der Revolution

Der große Streit ist nicht in Sicht – noch nicht. Noch funktionieren die in jahrzehntelanger Regierungsarbeit eingespielten Reflexe der nordrhein-westfälischen SPD: Der Vorsitzende der Landtagsfraktion, Edgar Moron, deutet gegenüber Journalisten die Notwendigkeit von Kabinettsumbildungen in Berlin und Düsseldorf an, wird im Parteipräsidium als „wahnsinnig“ belächelt und schweigt.

Oder doch nicht? Beinahe trotzig beharrt Morons Sprecher auf der fehlenden sozialen Kompetenz des immer noch größten SPD-Landesverbands, die auch und gerade über Personen kommuniziert werden müsse. Moron selbst steht also zu seiner Kritik gerade gegenüber den sozialdemokratischen Minister für Wirtschaft und Arbeit auf Landesebene, Wolfgang Clement und Harald Schartau. Deren Politik der Unterordnung des sozial orientierten Arbeits- unter das Wirtschaftsressort nehme der Partei viel von ihrer sozialen Kompetenz und Identität, so Morons Analyse am Montag – nur ganz so laut und deutlich sagen will der Fraktionschef das nach der Präsidiumssitzung nicht mehr.

Für die nordrhein-westfälische SPD aber kommt selbst dieser Rest versteckter Kritik einer Revolte gleich: Sie zeigt, wie verunsichert, wie beunruhigt, wie bedroht sich viele Funktionsträger mittlerweile fühlen – gerade in der übergroßen Landtagsfraktion. Gehen die Kommunalwahlen im September für die SPD ähnlich katastrophal verloren wie Europa – und davon ist mangels Kursänderung auszugehen – wird aus der Revolte die Revolution. ANDREAS WYPUTTA