gleichgeschlechtliches
: Herrliche Dame des Abends

Ein Tanzpaar besteht aus einem Mann und einer Frau – zumindest wenn es nach dem Deutschen Tanzsportverband (DTV) geht. Aber nach dem ging es nicht, und so kamen sie, schwitzten und schwebten. Es war schwer, den Blick von Pascal Herrbach und Horst Droste abzuwenden – wie ein Mann drehten sich die beiden Berliner in ihren weinroten Tuxedos schwungvoll durch den Ballsaal. Und so bekam das Paar vom Verein pinkballroom bei den Berliner Meisterschaften im gleichgeschlechtlichen Paartanzen am Sonnabend nicht nur die Goldmedaille fürs Standardtanzen, sondern auch gleich für Latein umgehängt.

„Ich genieße es, die Dame des Abends zu sein“, sagte Pascal Herrbach. Er und Horst Droste wechseln sich zwar bei ihren Tänzen öfter mit der Führung ab, doch meistens ist er der folgende Tanzpartner – weil er kleiner ist. „Als Mann, der geführt wird, muss man lernen, Dominanz abzugeben und es zu genießen, vom Partner präsentiert zu werden.“

Rund 100 Frauen- und Männertanzpaare waren angereist aus ganz Deutschland, Österreich, Dänemark und den USA zu einem der größten deutschen Turniere für gleichgeschlechtliches Tanzen: dem Berlin Open. Frauen- und Männerpaare starteten getrennt. Die Goldmedaillen bei den Frauen holten Caroline Privou und Petra Zimmermann aus Köln für Standard, Katrin Kern und Martina Weibel von pinkballroom für Latein.

Für gleichgeschlechtlichen Paartanz gibt es in Deutschland inzwischen in vielen Städten eigene Tanzsportvereine. Sie sind nicht unter dem Dach des DTV organisiert. „Das ginge auch gar nicht so einfach“, sagt Turnierorganisator Thorsten Reulen, „denn vor ein paar Jahren haben die ihre Vereinssatzung dahin gehend geändert, dass nur ein Mann und eine Frau ein Tanzpaar sein können.“

In den Vereinen für gleichgeschlechtliches Tanzen tanzen zwar hauptsächlich, aber nicht nur Lesben und Schwule. „Es ist bei den Frauen und Männern unterschiedlich“, sagt Reulen, „so gut wie alle Männer, die bei uns tanzen, sind schwul, aber bestimmt ein Viertel der Frauen Heteras, die tanzmuffelige Männer oder einfach so Lust haben, mit einer Frau zu tanzen.“

Für viele TeilnehmerInnen war das Turnier die willkommene Generalprobe für die EuroGames, die Europameisterschaft für gleichgeschlechtliches Paartanzen, Ende Juli in München.

Im Berliner Ballsaal wurde nach der Siegerehrung noch bis zu später Stunde multigeschlechtlich geschwoft: Frau mit Frau, Frau mit Mann, Mann mit Mann. Und eigentlich verstehen sich die pinkballroom-Mitglieder sehr gut mit dem Allgemeinen Tanzsportverband, der auch Punktrichter für das Turnier gestellt hat. Vielleicht hatten die Verantwortlichen einfach Angst, dass es so kommt wie in den Niederlanden. Dort haben bei Turnieren schon Männerpaare alle Frauen-Männer-Paare aus dem Rennen geschlagen.

FRAUKE HINRICHSEN