Alles unter Kontrolle

Übers Hurricane-Festival in Scheeßel wacht der Chef persönlich – denn Folkert Koopmans ist ein Überzeugungstäter

von Volker Peschel

Möchte der Besucher beim Hurricane-Festival das Gelände betreten, gibt es eine simple Regelung, die heiße Tage erleichtert: Getränke in handelsüblichen Eineinhalbliter-Tetrapacks sind erlaubt. „Dann ist Folgendes passiert, wenn ich das selber gesehen hätte, wäre ich explodiert“, erinnert sich Veranstalter Folkert Koopmans:„Ein Ordner hat wohl einen Tetrapack mit zwei Liter Inhalt – also einem halben Liter zuviel – von einem Besucher genommen und oben abgeschnitten haben!“ Leichter Eifer steigt in Koopmanns Augen auf: „Da fragt man sich doch: Geht’s noch?“ Das seien zwar Kleinigkeiten, „aber es muss doch nicht unlogisch werden, oder?“ Fuchsteufelswild könne er da werden.

Am kommenden Wochenende wird zum achten Mal das Hurricane Festival in Scheeßel stattfinden, einem kleinen Dorf mit 12.000 Einwohnern zwischen Hamburg und Bremen. Etwa 40.000 Besucher fallen dort ab Donnerstag ein, campieren auf den Wiesen und können 48 Bands auf zwei Bühnen erleben – täglich von mittags bis nach Mitternacht. Etwa 15 Landwirte geben dafür ihre Felder her, die mit 600 Klos und 180 Duschen bestückt und mit 16 Kilometer Bauzaun abgesperrt werden.

Das Planungszentrum fürs Großevent ist eine schnieke weiße Villa in Eimsbüttel. Die ist der Sitz von FKP Scorpio, Deutschlands größtem Festivalveranstalter. Über zwei Stockwerke ziehen sich breite Flure, von denen offene Arbeitszimmer mit großen Fenstern abgehen. Goldene Schallplatten dankbarer Künstler hängen an den Wänden, dazu Panoramafotos von Festivalgeländen. 25 Mitarbeiter sitzen hier, seit 1990 regiert Firmengründer Folkert Koopmans das Geschehen.

Leger ist er gekleidet, hat blonde Haare, die nicht mehr ganz als Kurzhaarschnitt durchgehen. Ein Musikliebhaber, aber noch viel mehr jemand, der gerne Musik stattfinden lässt. Detailverliebt wird er auch vor Ort über sein Festival wachen: „Zwei, drei Künstler gucke ich mir dort meist an, bei bestimmten Managern und Bands pflege ich Kontakte. Man lässt sich blicken. Aber ansonsten bin ich auf dem Gelände unterwegs, kontrolliere, ob mir das alles soweit gefällt, gucke auch gerne mal die Dixi-Klos auf dem hinteren Feld nach. Dafür hasst man mich.“

Erstmals werden dieses Jahr zwei vollwertige Open-Air-Bühnen auf dem Oval des Eichenrings stehen. Zwei Bands werden dabei die Überflieger sein, weil sie momentan einfach alles richtig machen: Die Briten Franz Ferdinand haben ein Debüt mit elf perfekten Songs voller elaborierter Rock- und Popweisheiten veröffentlicht. Und die Berliner Beatsteaks spielen bereits seit Jahren euphorischen Livepunk. Wie gut das ist, weiß seit ihrem neuen Album auch jeder MTV-Gucker. Es wird also voll.

Teuer sind allerdings die Headliner geworden – also jene Bands, die spätabends als Höhepunkt auftreten. „Die Gagen sind extrem in die Höhe gegangen“, so Koopmans. „Früher hat man 25 Prozent des Budgets dafür gerechnet, heute sind es fast 60.“ Wenn dieses Jahr David Bowie ins kleine Scheeßel anreist, entschädigt ihn eine sechsstellige Summe für provinzielle Unannehmlichkeiten. Auch andere leicht angestaubte Szenegrößen wie die reanimierten The Cure oder die Meisterkiffer von Cypress Hill haben ihren Preis. „Headliner wissen halt, dass sie viele Leute ziehen. Außerdem gibt es noch den europäischen Maßstab, etwa die englischen Festivals.“ Dort würden Bands wie The Strokes für zwei Shows eine Million Dollar mit nach Hause nehmen.

Doch seinen musikalischen Wert zieht das Hurricane Festival nicht aus einer wahllosen Sammlung vermeintlich großer Namen, sondern aus neuen Helden: „Wir müssen ein gutes Mittelfeld haben – heiße Bands wie Franz Ferdinand etwa. Und auch im unteren Bereich sollen Bands spielen, die womöglich in drei Jahren groß sind.“ Folglich gibt es edlen Pop zu bestaunen: die Gitarrenpopper Modest Mouse, die putzigen Feingeister I Am Kloot, oder auch Graham Coxon, der einst als Gitarrist in Lohn und Brot bei Blur stand. Dazu kommt eine Werkschau von Rock‘n‘Roll-Bengeln in ungewaschenen Jeans wie Ash oder den wilden Live-Schweden The Hives. Aus dem deutschen Norden sind Tiger Beat, Beginner und Tomte dabei, aus München die Sportfreunde Stiller.

Die letzten Tage vor dem Festival nutzt Koopmans für den Feinschliff: „Wir haben ein Forum auf unseren Webseiten, das ich täglich lese, und manchmal merke ich: Hey, daran haben wir nicht gedacht.“ Ein ehrgeiziger Überzeugungstäter, der 1981 das letzte Mal selbst bei einem Festival gezeltet hat. Und, wie wird das Wetter beim Hurricane? „Na sonnig, 25 Grad!“ Also ausreichend Tetrapacks besorgen. Und nicht abschneiden lassen.

25. bis 27. Juni, Eichenring, Scheeßel, 3-Tage-Ticket inkl. Camping für 79 Euro plus 5 Euro Müllpfand, Tageskarten für 50 Euro, www.hurricane.de