Lebensmittel über Kohlenwasserstoffen

Auf dem Gelände des ehemaligen VEB Elektrokohle in Lichtenberg entsteht ein Großhandel für asiatische Lebensmittel. Keine Bedenken bei Umweltverwaltung, bei Wissenschaftlern umso mehr. Grüne: Baugenehmigung zurücknehmen

Der Genuss asiatischer Küche könnte ab kommenden Jahr einen Nachgeschmack erzeugen. Denn auf dem stark belasteten Gelände des ehemaligen VEB Elektrokohle Berlin in Lichtenberg wird ein asiatisches Großhandelszentrum errichtet, in dem auch Lebensmittel an Gewerbekunden verkauft werden. In solchen Hallen beziehen viele vietnamesische Imbissbetreiber und Betreiber von einigen asiatischen Restaurants ihre Waren.

Die Baugenehmigung für die zwei je 6.500 Quadratmeter großen Hallen des Dong-Xuan-Großhandelszentrum wurde im März durch das Bezirksamt Lichtenberg erteilt. Die Senatsverwaltung für Umweltschutz hielt den Bau für ungefährlich. Der vietnamesische Investor hat bereits mit Erdarbeiten begonnen.

Der VEB Elektrokohle war bis zur Wende die größte Dreckschleuder im Ostteil Berlins. Eine Anwohnerin der nahen Vulkanstraße erinnert sich: „Nachts wurden die Filter abgestellt, das konnte damals keiner bezahlen. Und am Morgen waren die Autos auf dem Parkplatz schwarz vom Staub. Die Fenster konnten wir nachts nicht öffnen.“

In den 90er-Jahren wurde das Grundstück mehrfach durch den Senat auf Schadstoffe untersucht, zuletzt 1999. Dabei wurde flächendeckend eine Belastung an polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen festgestellt. Die können Krebs hervorrufen. Auf Teilflächen wurden zudem hohe Konzentrationen an Kupfer, Chrom und Phenolen gemessen. Die amtlich angegebenen Schadstoffkonzentrationen sei etwa 20-mal so hoch wie bei sanierungsbedürftigen Rieselfeldern, erklärt Michael Böhme, Agrarwissenschaftler der Humboldt-Universität.

In den vergangenen beiden Jahren wurde das Grundstück saniert – aber nur zum Teil. „Wir haben die ehemalige Galvanik und das Phenolbecken als die Quellen festgestellt, aus denen die Schadstoffe aus dem Erdreich austraten, und haben dort eine Sanierung veranlasst“, erklärt Manfred Breitenkamp von der Senatsumweltverwaltung. „Vorsorglich haben wir dem Investor bei unserer Mitwirkung an der Baugenehmigung die Auflage erteilt, die Großhandelshallen mit einer Bodenplatte abzusichern. Das überwacht eine Mitarbeiterin unseres Hauses.“

Auch Parkplätze und Zufahrtsstraße sollen gesichert werden. Weil die Schadstoffquellen verstopft wurden, sei das Lebensmittellager unbedenklich, versichert Breitenkamp. „Sojasoße wird, soweit ich weiß, in Flaschen geliefert. Und Reis und Küchenkräuter wäscht man vor dem Kochen ab.“ Ungesichert bleiben zwar die angrenzenden Freiflächen, eine Gefährdung für Passanten schließt Breitenkamp aber definitiv aus.

Der Agrarwissenschaftler Böhme meldet hingegen Bedenken an. Forschungen hätten gezeigt, dass eine Gefährdung von Lebensmitteln über den Luftweg erfolgt. Eine Sanierung des Bodens sei daher nicht ausreichend, denn Schadstoffe könnten noch über Jahre an umstehenden Gebäuden haften. „Es müssten Luftmessungen durchgeführt wurden, um die Situation einschätzen zu können.“

Die wurden, so Breitenkamp, nicht durchgeführt. Die Verbraucherschutzpolitikerin Claudia Hämmerling (Grüne) fordert die Behörden auf, die Baugenehmigung zurückzunehmen. „Der Senat muss sich entscheiden: Entweder wird die Fläche total saniert. Dann kann sie jeder Investor nutzen, wie er möchte. Oder es bleibt bei der Teilsanierung. Dann kann man dort Autoreifen oder Maschinenteile lagern, aber weder Lebensmittel noch Textilien.“ Hämmerling befürchtet einen Imageschaden für die asiatische Küche in Berlin: „Wenn ich nicht sicher bin, ob die Lebensmittel auf dem Elektrokohle-Grundstück gelagert wurden, werden ich lieber griechisch essen gehen.“ MARINA MAI