Proteste gegen Karsai in Kabul

In Afghanistan fordern friedliche Demonstranten den Rücktritt von Präsident Hamid Karsai und bis zu den geplanten Wahlen die Einsetzung eines Übergangsrates

KABUL taz ■ Mehrere hundert Menschen haben am Montag in der Afghanistans Hauptstadt gegen Übergangspräsident Hamid Karsai demonstriert und seinen Rücktritt vor den bevorstehenden Wahlen verlangt, die für September geplant sind. Den friedlichen Protest vor dem Ministerium für Information und Kultur hatte der „Afghanische Nationalkongress“ organisiert, die Partei des bekannten Schriftstellers Latif Pedram. Er will auch für das Präsidentenamt kandidieren.

Kongress-Sprecher Baschir Beschand erklärte, laut dem Bonner Afghanistan-Abkommen vom Dezember 2001 müsse Karsai Ende Juni zurücktreten, wenn die in Bonn vereinbarte Übergangsperiode zu Ende geht. Die jetzige Übergangsregierung meint jedoch, dass die zum Jahresanfang verabschiedete neue Verfassung das Bonner Abkommen in dieser Frage außer Kraft setzt. Laut Verfassung amtiert die Regierung bis zu den Wahlen. Deren bisher mit „Ende September“ angegebener Zeitpunkt ist aber zunehmend fraglich.

Denn trotz erhöhter Wählerregistrierung in den letzten Wochen – die UNO gibt mittlerweile über 4 Millionen Registrierte an, davon knapp 36 Prozent Frauen – gibt es zahlreiche politische wie logistische Probleme. Bislang weigern sich maßgebliche Warlords, ihre Milizen entwaffnen zu lassen. Auf der Berliner Afghanistan-Konferenz im April hatte sich die afghanische Regierung verpflichtet, bis Anfang Juli 40 Prozent dieser Milizen und danach weitere „in erhöhtem Tempo“ zu demobilisieren. Die Kommandeure der meisten für die erste Phase vorgesehenen Einheiten haben sich erst vor wenigen Tagen bereit erklärt, überhaupt Mannschaftslisten vorzulegen, die nun erst geprüft werden müssen. Bei einer bereits aufgelisteten Einheit im südlichen Kandahar hatte sich dabei herausgestellt, dass statt der gemeldeten 7.000 Kämpfer nur 500 wirklich existierten. Den von Kabul aus internationalen Hilfsgeldern überwiesenen Sold für die virtuellen Soldaten hatte sich ihr Kommandeur in die eigene Tasche gesteckt.

Der Protest am Montag war der zweite innerhalb einer Woche. Am Dienstag zuvor hatte die „Front für Gerechtigkeit und Demokratie“ – ein Bündnis ehemaliger Mudschaheddin, die sich unter anderem für die Stärkung des künftigen Parlaments einsetzen – Karsais Rücktritt und die Einsetzung eines Übergangsrates aus Mitgliedern der Verfassungs-Loja-Dschirga bis zu den Wahlen gefordert. Zwei weitere Präsidentschaftskandidaten, Ex-Planungsminister Hadschi Muhammad Mohaqqeq sowie Seyyed Ishaq Gailani, beides frühere Mudschaheddin-Kommandeure, fordern dies auch. JAN HELLER