Helmut Kohl bleibt für die Presse tabu

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig sperrt die Stasi-Unterlagen des ehemaligen Bundeskanzlers für Journalisten. Auch Wissenschaftler bekommen nur noch stark begrenzten Zugriff. Kohls Anwalt zeigt sich zufrieden über das Urteil

AUS LEIPZIG CHRISTIAN RATH

Großer Erfolg für Helmut Kohl: Das Bundesverwaltungsgericht hält die Weitergabe seiner Stasi-Unterlagen an Journalisten für generell unzulässig. Und auch Forscher können nur einen sehr kleinen Teil der Akten mit starken Einschränkungen erhalten. Damit haben die Leipziger Richter die „Lex Kohl“ des Bundestags weitgehend ausgehebelt.

Insgesamt lagern bei Marianne Birthler, der Beauftragten für die Stasi-Akten, 7.000 Aktenseiten zu Helmut Kohl. Nur etwa 1.000 Seiten davon hätte sie – jeweils nach einer Einzelfallprüfung – herausgegeben. Protokolle und Tonbänder von Abhöraktionen wären tabu geblieben, ebenso alle Materialien mit privaten Details. Doch Kohl genügte das nicht. Er verlangte, dass die „grob rechtstaatswidrig erlangten“ Unterlagen ganz unter Verschluss bleiben.

Das hat er nun fast vollständig erreicht. Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass Stasi-Unterlagen grundsätzlich nur mit Zustimmung der Betroffenen an die Presse herausgegeben werden dürfen. „Das gilt auch für Politiker und Prominente“, sagte der Vorsitzende Richter Hans-Joachim Driehaus gestern bei der Urteilsverkündung. Ausnahmen kommen nur in Betracht für Berichte über Gespräche Kohls mit Ostblockpolitikern, denn mit deren Verschwiegenheit habe er ohnehin nicht rechnen können. Außerdem dürfen von der Stasi gesammelte Zeitungsartikel und ähnliches Material herausgegeben werden sowie Stasi-Analysen, die ausschließlich auf öffentlich zugänglichen Quellen beruhen.

Gegenüber Wissenschaftlern waren die Richter nur wenig großzügiger. Die Forscher müssen nämlich sicherstellen, dass die erhaltenen Unterlagen „nicht in unbefugte Hände gelangen oder veröffentlicht werden“. Außerdem sind selbst für sie bestimmte Unterlagen künftig generell tabu: alles, was die Stasi durch Spionage oder durch Abhörmaßnahmen in Privat- oder Diensträumen gewonnen hat. Das gelte auch für alle darauf beruhenden Analysen und Stellungnahmen.

Das Gericht begründete seine einschränkende Auslegung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes mit „Schutz und Achtung der Persönlichkeitsrechte“. Die Tätigkeit der Stasi sei außerdem rechtstaatswidrig und „zu illegitimen Zwecken erfolgt“. Man könne ohnehin nicht sicher sein, dass die in den Akten enthaltenen Angaben sachlich richtig seien.

Schon vor zwei Jahren hatte das Bundesverwaltungsgericht nach einer Klage des Exkanzlers die Veröffentlichung von Kohls Stasi-Akten verhindert. Doch der Gesetzgeber reagierte schnell. Noch im gleichen Jahr wurde mit einer „Lex Kohl“ das Gesetz über die Stasi-Unterlagen geändert. Danach sollte die Herausgabe von Akten über „Personen der Zeitgeschichte“ möglich bleiben, „wenn öffentliche Interessen überwiegen“. Dabei musste auch berücksichtigt werden, ob die Datengewinnung, „erkennbar auf einer schweren Menschenrechtsverletzung beruhte“. Die Betroffenen erhielten außerdem die Möglichkeit, vorab zu protestieren und notfalls eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen.

Solche Einzelfallprüfungen sind bei Anfragen von Journalisten nicht mehr nötig. Immer wenn die Betroffenen nicht zustimmen, bleiben die Akten eben für die Presse geschlossen. Allerdings ist Kohl bisher der einzige Prominente, der sich gegen die Offenlegung seiner Stasi-Unterlagen wehrt.

Kohls Anwalt Stephan Holthoff-Pförtner zeigte sich gestern mit dem Urteil „sehr zufrieden“. Dass Kohl immerhin ein Drittel der Prozesskosten tragen muss, soll wohl eher ein Trost der Richter für die Birthler-Behörde sein.

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