Mit dem Horror nicht mehr allein

Stalking ist Psychoterror pur: Dauernd klingelt das Telefon, der Täter lungert vor dem Haus herum, ist immer da. Manche versuchen sogar, ihr Opfer umzubringen. Jetzt starten zwei Bremerinnen die erste Selbsthilfegruppe für Stalking-Geschädigte

taz ■ Stalking-Opfer bleiben in Bremen nicht länger isoliert. Ab sofort können sich alle, die unter Telefon-Terror, Dauerbelagerung und Gewalttätigkeiten leiden, bei einer neu gegründeten Selbsthilfegruppe anmelden – wahrscheinlich eine der ersten in Deutschland.

Die Gruppe auf die Beine gestellt haben zwei Bremerinnen, die selbst betroffen waren. „Ich wollte nicht länger Opfer sein, sondern endlich etwas tun“, sagt Karin P. Sie hat auch ein Internetforum für Stalking-Opfer organisiert. „Das könnte ich als Vollzeitjob betreiben“, sagt sie über das große Interesse. Mit den Folgen ihres zweijährigen Horrors hat die 42-jährige Verwaltungsangestellte heute noch zu kämpfen. „Das nimmt Dimensionen an, das kann sich niemand vorstellen“, sagt sie rückblickend. 1998 und 1999 wurde sie von einer Stalkerin verfolgt. Seit die im Jahr 2000 verurteilt und in den Maßregelvollzug eingewiesen wurde, fühlt sich die Terrorisierte wieder sicherer. Die paranoid-schizophrene Täterin hatte versucht, Karin P.umzubringen.

Die zweite Bremerin ist die 46-jährige Edith T. „Ich bin eigentlich kein typischer Stalking-Fall. Ich habe mich von Anfang an gewehrt“, sagt sie über sich selbst. Ihr Verfolger sitzt jetzt in Untersuchungshaft – weil er auf eine 16-Jährige mit einem Messer losgegangen ist. Für die Verfolgung und Bedrohung von Edith T. bekam er damals 1.200 Mark Strafe. T.s Stalking-Geschichte dauerte nur einige Monate – im Vergleich zu jahrelangen anderen Leidensgeschichten ist das kurz. Für die Selbsthilfegruppe plant sie, mit den TeilnehmerInnen konkrete Themen zu bearbeiten: Wie Gestalkte sich und ihre Wohnung sichern können, wie sie Beweise sammeln, wer bei der Polizei hilft. Für die einzelnen Geschichten bleibt natürlich auch Zeit.

In Bremen bekommen Stalking-Opfer schon institutionelle Unterstützung: Die Polizei hat vor ein paar Jahren fünf Stalking-Beauftragten eingesetzt. Damit sind die Ordnungshüter an der Weser bundesweit Vorreiter. „Ich habe mich gut aufgehoben gefühlt “, sagt Edith T. Auch eine andere Betroffene, die sie zum Stalking-Beauftragten Paul Lapsien geschickt hat, hat gute Erfahrungen gemacht. Karin P. bestätigt: „Die Stalking-Beauftragten engagieren sich weit über ihren eigentlichen Job hinaus.“ Für alle Polizisten auf den Revieren gibt es Handlungsanweisungen. Die sollen den Beamten helfen zu erkennen, ob die angezeigten zerstochenen Autoreifen vielleicht einem Stalking-Opfer gehören. Bernd Zander vom Landeskriminalamt, der das Papier mit ausgearbeitet hat, definiert: „Für uns ist Stalking das, was das Opfer als Stalking empfindet.“

Karin P. hat noch mehr Ideen im Kopf: Sie würde am liebsten alle Stellen, die mit Stalking-Opfern oder -Tätern zu tun haben, an einen Runden Tisch bringen, den Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten verbessern und ein umfassendes Anti-Stalking-Konzept erarbeiten, mit Opfer- und Täterberatung und wissenschaftlicher Begleitforschung. Ulrike Bendrat

Selbsthilfegruppe 14-tägig montags, Anmeldung: www.stalkingforum.de, Bremen-Button anklicken oder ☎ 0174-73 27 557, freitags 15 bis 17 Uhr.