Union setzt auf Politik des jungen Fußes

Wie der Kanzler orientiert sich Union-Aufsichtsratschef Hurtado gerne an runden Daten. Statt Agenda lieber Aufstieg 2010 – in die Bundesliga, wohlgemerkt. Mit Vereins-Eigengewächsen will der FC die Regionalliga schnell verlassen

Der Ball rollt wieder beim 1. FC Union, jedoch eine Klasse tiefer als bisher. Heute um 10 Uhr leitet Frank Wormuth das Auftakttraining des Zweitliga-Absteigers aus der Wuhlheide. Abends bittet die Clubleitung die Mannschaft ins Hotel Abacus, wo sich die vielen neuen Gesichter kennen lernen sollen. Denn von der Trümmertruppe aus der Absturzsaison 2003/ 2004 sind – weder im Spielerkader noch in der Funktionärsriege – nicht sehr viele Aktivisten übrig geblieben.

„Ich mag Herausforderungen wie diese“, erzählt der neue Coach. Wormuth, der vor 4 Jahren mit Nobody SC Pfullendorf an das Tor zur 2. Liga klopfte, fängt fast bei null an. Elf neue Spieler sind bisher verpflichtet worden, dazu rücken sechs Eigengewächse in den Regionalligakader auf. „Junge, hungrige Spieler“, frohlockt Wormuth, die angeblich nur etwas mehr verdienen sollen als die Fans.

Die fetten Jahre in Köpenick sind vorbei. Misswirtschaft und Inkompentenz der abgelösten Vereinsführung haben den 1. FC zurück in das Amateurlager katapultiert. Nun soll eine Kompetenzoffensive den Eisernen erneut den Weg nach oben ebnen. „Unser Ziel ist der Bundesliga-Aufstieg 2010“, erklärt Aufsichtsratsvorsitzender Antonio Hurtado, der für 2006 die Rückkehr in die 2. Bundesliga anpeilt.

Während Wormuth die Mann schaft rundum erneuert, entmüllt der Manager der Stadtreinigungsbetriebe (BSR), Unions Hauptsponsor, die Clubleitung für seine Agenda 2010. „Es ist höchste Zeit, dass Union eine neue Visitenkarte bekommt, die man mit Stolz zücken kann“, erklärt Hurtado.

Der habilitierte Sohn eines spanischen Gastarbeiters aus dem Ruhrpott muss sich dabei in Dialektik üben. Oder, literarisch gesprochen, er muss versuchen, Sigmund Freud mit Miguel de Cervantes zu vereinen, ohne eine Donquichotterie zu begehen: Einerseits will er den Unionern verklickern, dass man aus jeder Krise gestärkt hervorgeht (Freud). Andererseits muss er um jeden Preis den fatalen Eindruck vermeiden, man kämpfe gegen Windmühlen, wie dies einst ein spanischer Edelmann in der Region La Mancha tat (Cervantes). Leicht dürfte es ihm angesichts der etwas anderen Union-Psyche nicht fallen. „Wir können mit Erfolg nicht so gut umgehen“, analysiert Kay Kuhnke, einer der treuen Stadiongänger in Köpenick.

Trotzdem verfolgt die Basis mit Sympathie, was „unser Spanier“ anstellt. Hurtado bündelt die Aktivitäten der in der Vergangenheit oft autonom vor sich hin wurstelnden Gremien (Präsidium, Aufsichts- und Wirtschaftsrat). „Ich spreche lieber von meinem Kompetenzteam“, sagt der BSR-Mann, der die Institutionen besser verzahnen will.

Im Aufsichtsrat installierte er mit Trainer-Ausbilder Heinz Werner einen Aufpasser im sportlichen Bereich. Dirk Zingler, der als Chef des Wirtschaftsrates maßgebliches Verdienst am Erhalt der Regionalliga-Lizenz hat, rückte als Hurtados Stellvertreter in das höchste Gremium. Selbst der seit Jahren vakante Posten eines Sportmanagers soll besetzt werden, um Fehlinvestitionen auf dem Transfermarkt wie in der Zweiten Liga zu minimieren. „Es kann nicht schaden, die gleichen Fehler zu vermeiden“, sagt der neue starke Mann von Union.

Hurtados Reformeifer macht auch vor dem Präsidentenstuhl nicht halt. Jürgen Schlebrowski, der im Oktober 2003 antrat, attestiert sich selbst Amtsmüdigkeit. „Es fällt mir schwer, Beruf und Ehrenamt unter einen Hut zu bringen“, gesteht der Strategiemanager am Dietrich-Grönemeyer-Institut in Bochum. Hurtado hat verstanden. „Wir können uns Gedanken machen über das neue Präsidium“, sagt der Spanier, der hinter den Kulissen bereits mit potenziellen Schlebrowski-Nachfolgern verhandelt. JÜRGEN SCHULZ