Der Osten blüht jetzt ansatzweise

Die ostdeutsche Wirtschaft will den „Aufbau Ost voranbringen“ und hat ein entsprechendes Positionspapier vorgelegt. Der Tenor: Es wird zu viel schwarz gemalt. Eine zentrale Forderung: Beendet endlich die halbjährlichen Fördermitteldebatten!

AUS BERLIN NICK REIMER

Peter Bofinger ist ein weiser Mann. Genauer gesagt: ein Wirtschaftsweiser. Das ist dramatisch für Ostdeutschland: „Was den Aufbau Ost betrifft, bin ich mit meinem Latein am Ende“, sagte das Mitglied des Sachverständigenrates der Regierung. Auf die Frage, ob der Osten denn verloren gegeben werden solle, erklärte Bofinger: „Im Stillen denken wahrscheinlich viele so.“ Um dann an die vielen Fördermilliarden zu erinnern, die der Westen jährlich in den Osten pumpt.

Christian Amsinck ist zwar nicht so weise wie Herr Bofinger. Dafür aber lebt er in Ostdeutschland, genauer: in Berlin. Dort ist er bei der Vereinigung der Unternehmensverbände für Wirtschaftspolitik zuständig. Gestern stellte er gemeinsam mit Unternehmensverbänden aus den anderen fünf ostdeutschen Ländern das Positionspapier „Den Aufbau Ost voranbringen“ vor. Zentrale Botschaft: Es wird zu viel schwarz gemalt. „Während die westdeutsche Industrie im letzten Jahr um ein halbes Prozent schrumpfte, wuchs die ostdeutsche wieder, diesmal um 4 Prozent“, so Amsinck.

Überhaupt: Nur wenige Gedanken zum Aufbau Ost seien weise, „die meisten ignorant bis ärgerlich“. Zum Beispiel die Fördermittelmär: „Von den 83 Milliarden Euro, die im letzten Jahr in den Osten transferiert wurden, gingen nur 9 Prozent in die Wirtschaftsförderung“, so Amsinck. Der allergrößte Teil des Geldes, das der Staat im Osten ausgibt, werde nicht investiv, sondern konsumtiv ausgegeben: Arbeitslosengeld, Bundeswehr, Renten, Sozialversicherungen. Und das werde wohl so bleiben –auch nach Ablauf des Solidarpakts II. Amsinck: „Egal wie man die Töpfe nennt: Der Staat muss zahlen, weil er dafür einen Verfassungsauftrag hat. In Bayern wie in Thüringen.“

„Das bisher investierte Geld hat Fakten geschaffen, die eindeutig für die neuen Länder sprechen“, fand gestern auch Gerd von Brandenstein, Präsident der Unternehmensvereinigung Berlin-Brandenburg. Dow Chemical in Sachsen-Anhalt, Rolls-Royce in Brandenburg oder Infineon in Sachsen – das Positionspapier versucht, mit Beispielen gute Stimmung zu verbreiten. Verbreitet werden sollen aber natürlich in erster Linie Forderungen an die Politik. Die wichtigste: endlich damit aufzuhören, alle halbe Jahre eine Debatte über Fördermittel anzufangen. „Investoren brauchen Sicherheit. Und die Landesregierungen, gleich welcher Couleur, haben seit Jahren bewiesen, dass sie sehr verantwortungsvoll mit dem Geld umgehen. Da versickert nichts“, so Amsinck. Zweite Forderung: Bürokratieabbau. Zum Beispiel das Verkehrswegebeschleunigungsgesetz. „Seit Angang der 90er-Jahre haben wir gute Erfahrungen damit. Jetzt soll es nicht verlängert werden“, so Amsinck. Forderung Numero drei: Sonderregelungen. Da es hier vor allem kleine und mittlere Unternehmen gibt, könnte der verminderte Kündigungsschutz im Osten auf Betriebe mit 20 oder 30 Beschäftigten ausgeweitet werden.

Die wichtigste Forderung: differenzierter hinschauen. Vielleicht fällt dann auch Wirtschaftsweisen wieder was ein.

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