Polizist erschoss Betrunkenen „in Notwehr“

Bundesgerichtshof bestätigt Freispruch für Todesschuss gegen Randalierer im thüringischen Nordhausen

KARLSRUHE taz ■ Ein Polizist erschoss vor zwei Jahren im thüringischen Nordhausen einen betrunkenen Randalierer. Das Landgericht Mühlhausen urteilte: Freispruch wegen Notwehr. Gestern bestätigte der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil.

René Bastubbe war im Juli 2002 bis spät in der Nacht mit einem Kumpel unterwegs. Gegen vier Uhr früh wirft der damals 30-Jährige sein letztes Geld in einen Zigarettenautomaten, der jedoch die Ware verweigert. Bastubbe ist wütend und hämmert mit einem Stein gegen das Gerät. NachbarInnen rufen die Polizei. Der Kumpel wird festgenommen, Bastubbe aber schlägt um sich und flüchtet.

Der Polizist S., damals ebenfalls 30 Jahre alt, verfolgt Bastubbe und setzt Pfefferspray ein, doch es wirkt nicht. Da wirft Bastubbe einen herumliegenden Pflasterstein und gleich darauf noch einen. Der Polizist will eigentlich einen Warnschuss abgeben, doch als Bastubbe sich erneut bückt, zieht S. die Waffe nach unten, angeblich um Bastubbe in die Beine zu schießen. Tatsächlich trifft er die Hauptschlagader im Rücken. Bastubbe verblutet sofort.

Das Landgericht Mühlhausen wertete den Schuss als Notwehr. Dagegen gingen Staatsanwaltschaft und der Vater des Opfers in Revision. Sie verlangten zumindest eine Bestrafung wegen fahrlässiger Tötung. Der tödliche Schuss sei nicht erforderlich gewesen.

Doch der Bundesgerichtshof bestätigte gestern den Freispruch. Auf den ursprünglich nichtigen Anlass des Konflikts, die nächtliche Ruhestörung, komme es nicht an. Entscheidend sei die Situation vor dem Schuss, erläuterte die Vorsitzende Richterin Ruth Rissing-van Saan. Bastubbe habe mit drei Kilogramm schweren Pflastersteinen auf den Kopf des Polizisten geworfen, der nur etwa drei bis vier Meter entfernt stand. Hier habe objektiv Lebensgefahr bestanden. Ein Schuss in die Beine sei deshalb gerechtfertigt gewesen. Zur tödlichen Verletzung führte erst, dass S. die nicht vorgespannte Waffe beim Schießen leicht nach oben verriss. Das aber sei ein „typisches Risiko“ des Schießens, so die Richterin.

Erst im Jahr 1999 hatten Nordhäuser Polizisten einen Wanderer durch die geschlossene Tür eines Gasthauses erschossen, weil sie ihn für den flüchtigen Gewaltverbrecher Dieter Zurwehme hielten. Auch sie wurden freigesprochen. Dass sich die Polizei in beiden Fällen durch taktische Fehler in heikle Situationen brachte, blieb strafrechtlich unberücksichtigt. Az. 2 StR 82/04

CHRISTIAN RATH