Der Giftskandal hat einen Namen

Das mit PCB und Dioxin belastete Öl im Futter stammt aus der Chemischen Fabrik Fridingen Gustav Rübelmann aus Hessen. Angeblich bereits zugelieferte Rohstoffe aus Spanien und den Niederlanden belastet. Staatsanwaltschaft ermittelt nicht

VON HANNA GERSMANN
UND NICK REIMER

Bisher war der jüngste Skandal um Gift im Futter namenlos, Behörden hielten die darin verwickelten Firmen streng geheim. Funktioniert hat das aber nur bis gestern. „Der Lieferant des mit PCB und Dioxin belasteten Futteröls heißt nach unseren Recherchen Chemische Fabrik Fridingen Gustav Rübelmann GmbH“, sagte Matthias Wolfschmidt von der Verbraucherorganisation Foodwatch. Das hessische Agrarministerium bestätigte der taz die Information.

Das dortige Umweltministerium teilte dann am Nachmittag mit, die Herkunft des Dioxins sei geklärt: Mischöle aus den Niederlanden und Spanien wären die Ursache. Vor allem ein Gemisch aus Kokos- und Palmöl aus Holland sei mit mehr als 9 Nanogramm (neun milliardstel Gramm) pro Kilogramm 12-mal höher belastet gewesen, als der Grenzwert erlaubt. Die Befunde deuteten darauf hin, dass die Dioxinbelastung der Rohstoffe eventuell auf eine fehlerhafte Trocknung zurückzuführen sei.

Die Firma Rübelmann hüllt sich indes in Schweigen. „Im laufenden Verfahren geben wir keinen Kommentar“, so Geschäftsführer Michael Wetzel. Nur so viel wird klar: Ihm behagen die Kontrolleure der hessischen Behörden nicht, die nun seit einer Woche den Betrieb überwachen. Dabei hätten sie eigentlich schon früher kommen können. Die Firma stellt Öle her – „alles pflanzlich“, sagt Wetzel –, die Futter für Hühner oder Schweine untergemischt werden.

Das sächsische Agrarministerium hatte schon Anfang Juni bei den hessischen Kollegen Alarm geschlagen. Eine Charge für Sachsen sei mit krebserregendem PCB (Polychlorierten Biphenylen) belastet. Aber drei Labore mussten das erst bestätigen, bevor Hessen aktiv wurde, so Dirk Reelfs vom Dresdner Agrarministerium. Da waren 1.270 Tonnen Futter bereits verseucht, der Großteil an Hühner verfüttert.

Auch der Empfänger des Pflanzenöls ist seit gestern bekannt: die Raiffeisen Kraftfutterwerke Süd GmbH, genauer: ihr „Werk Neumark“ in Sachsen. Heinz Thomsen, Geschäftsführer der Kraftfutterwerke Süd, gibt sich gelassen. „Schäden sind nicht uns, sondern mehr als 60 Landwirten entstanden.“ Diejenigen, die das Futter erhalten hatten, waren gesperrt worden. „Für die Ausfälle muss Rübelmann aufkommen“, sagt Thomsen. Erst ein Bauer hat seine Forderungen beziffert: 3.000 Euro.

Die Dioxin-Konzentration bei den Rübelmann-Ölen überschritt den Grenzwert ums Dreifache. Betroffen: rund 100 Tonnen Öl, die bereits an Mischwerke in vier Bundesländern verkauft sind. Gesperrt ist davon allerdings noch keins. In Bayern und Mecklenburg-Vorpommern heißt es unisono: „Schließlich besteht für Tier und Mensch keine Gefahr.“

Die Sache ist juristisch vertrackt – sie basiert auf dem Futtermittelgesetz. Dort heißt es in Paragraf 3: Es ist verboten, Futtermittel zu vertreiben, die die Qualität der von Nutztieren gewonnenen Erzeugnisse beeinträchtigen. Der Paragraf ist ziemlich dehnbar – und so argumentieren die Behörden egal ob in Hessen oder Bayern: Da das kontaminierte Öl nur zu 5 Prozent dem Mischfutter beigemengt wurde, verringere sich der Giftgehalt im Endprodukt. Die Erzeugnisse seien damit nicht mehr „beeinträchtigt“.

Allein: Für PCB gibt es nur einen Richtwert, für Dioxin gilt ein Grenzwert. Unterschied: Wer PCB-Produkte vertreibt, wird allenfalls nach Paragraf 3 belangt. Anders bei Dioxin. Wolfschmidt von Foodwatch erklärt: „Hier macht sich strafbar, wer wissentlich ein Produkt in Verkehr bringt, obwohl der Grenzwert überschritten ist.“ Unverständlich sei deshalb, dass die hessische Staatsanwaltschaft bislang nicht ermittle.