Auch Bayerns Lourdes reif für den CSD

Wallfahrtsort Altötting erlebt ersten Christopher Street Day mit vielen Ferngläsern, aber ohne Zwischenfälle

BERLIN taz ■ „Soi mer? Oder soi mer net?“ Im Wallfahrtsort Altötting, dem bayerischen Lourdes, war das die Frage aller Fragen am Samstag. Ab elf Uhr standen die Einheimischen in Grüppchen in den Straßen oder guckten mit dem Fernglas auf ihren Dultplatz. Dort sollten sich, mit viel medialem Vorauspomp, Schwule und Lesben zu einem Altöttinger Christopher Street Day versammeln. Was sie dann auch taten – zurückhaltender als erwartet.

Die Homos traten weniger schrill und derb auf, als sie es sonst zu tun pflegen. Wenig Leder war zu sehen. Nur drei oder vier bunte Paradiesvögel traten auf. Vielleicht wegen der katholisch-bischöflichen Mahnungen („eine Verhöhnung des Glaubens“) und der angedrohten Prügel. Die Homoparade durch den Marienort fand erst gar nicht statt. Und auf dem Festplatz trafen sich gerade mal rund 300 stolze Schwule und Lesben.

Immerhin: Eine Gegendemonstrantin mussten sie aushalten, die sie – so ein Augenzeuge – unentwegt mit einem Plakat umkreiste. „Keine Adoptionen von Kindern für Homo- und Lesbenpaare!“, stand darauf. „Kinder sollen erleben, was normal ist.“

So wurde es ein eher langweiliger Schwulennachmittag, bei dem die Befürchtungen der Kreis-Grünen sich nicht bewahrheitete. Altötting sei noch nicht reif für den CSD, hatten sie ihrem Vorsitzenden Thomas Grahammer vorgeworfen. Grahammer hatte den Street Day für Altötting erfunden, er organisierte ihn – und musste dafür sein Parteiamt hinschmeißen.

Dafür kam nun Claudia Roth, die ehemalige Parteichefin. Sie wünschte sich, in einem Land zu leben, in dem niemand diskriminiert werde. Dass das beinahe alle wollen, zeigte Herbert Hofauer, Bürgermeister Altöttings für die Freien Wähler. Er trug sich am Stand von amnesty international in Unterschriftenlisten ein, mit dem die Menschenrechtsorganisation verfolgten mexikanischen und jamaikanischen Schwulen helfen will.

Höhepunkt von Homo-Altötting waren „D’ Schwuhplattler“, die schwule Volkstanzgruppe aus Altbayern. Die Plattler haben sich längst geoutet. Aber die Altöttinger, die sich wirklich auf den Dultplatz trauten, hätten sie wohl schwerlich identifizieren können. Denn die „Schwuhplatter“ sind zuerst zuerst bayerisch – und dann schwul.