Weiterfeiern nur mit Babysitter

Bad Segeberger Jugend darf selbstverwaltetes Jugendzentrum behalten. Konzerte müssen ab sofort anderswo stattfinden und die Stadt will mitreden. Dabei bleibt ein Stück Autonomie auf der Strecke

VON CHRISTOPHER OST

Im Sessel fläzen, Rockmusik, Kaffee, Kippe. Die Wände sind bunt, die Toiletten ranzig und die restliche Einrichtung wirkt zusammengesammelt. Wer nicht weiß, dass er sich im Jugendkulturzentrum Hotel am Kalkberg (HAK) in Bad Segeberg befindet, könnte sich auch in einer Hamburger Kneipe auf St. Pauli oder im Schanzenviertel wähnen.

Tim Sünram trägt Baseballmütze und Lederjacke, der Bart und die schwarzgefärbten langen Haare sind gepflegt. Es sprudeln keine Parolen aus ihm heraus, sondern Worte der Ernüchterung. „Die CDU versucht schon seit Jahren das HAK zu schließen“, sagt Tim. „Lärmbelästigung der Anwohner“, „fehlende Eintragung ins Vereinsregister“, „Müll auf der Straße“ lauteten die Gründe. Der eigentliche Grund sei jedoch, dass die CDU keine politische Arbeit wolle.

Seit acht Jahren besteht das HAK inzwischen. Eine Trommelgruppe, Pfadfinder und ein paar Mitglieder der Freien Arbeiterinnen und Arbeiter Union (FAU) treffen sich hier regelmäßig. Außerdem noch eine Rollenspielgruppe. Ein Straßentheater steht kurz vor seiner Gründung.

Das HAK verwaltet sich selbst. Die Mitglieder sind ehrenamtlich tätig. Unzählige freiwillige Arbeitsstunden sind in die Renovierung und den Betrieb des Zentrums geflossen. Zirka 200 Gäste im Alter von 15 bis 30 Jahren besuchen regelmäßig Vorträge, Filme und Konzerte.

Eines der Highlights im vergangenen Winter war das Sammeln von fast 400 Geschenken für sozial benachteiligte Familien. Finanziert wird das alles über die Einnahmen aus dem Café und Konzerten. Vor etwa zwei Jahren erlaubte die Stadtvertretung nur noch zwölf statt 72 Großveranstaltungen pro Jahr. Seit Mai 2008 sind sie komplett verboten.

„Wenn Freitag Party ist, wird Samstag gefegt“, sagt Lara Falck vom HAK. Aber hinter allen Gästen her zu räumen, die nun mal auch von außerhalb kommen, gehe eben nicht. Wenn Fußballfans die Umgebung des Stadions in eine Müllhalde verwandelten, beschwere sich niemand. Gegen die ständige Knallerei während der Karl-May-Festspiele sage auch niemand etwas. „Wir lassen wirklich mit uns reden und gehen auch auf Kompromisse ein“, sagt Tim Sünram.

Der Politik steckt noch ein anderer Dorn im Auge: die FAU. Skandalös finden die Vertreter von CDU und FDP, dass das HAK eine so genannte linksextreme Gruppe beherberge. Tim hält das für „völlig aufgebauscht“. Die FAU betreibe einmal die Woche das Café. Dabei werde vielleicht mal ein Referat gehalten oder ein Film gezeigt.

Das HAK wehrt sich: Zur Sitzung der Stadtvertretung am 3. Februar sind mehr Leute mit Dreadlocks als mit Krawatte anwesend. Der CDU-Antrag auf Schließung lässt sich nur unter Gelächter der Jugendlichen verteidigen. Der CDU-Abgeordnete Thomas Vorbeck ist überzeugt, man hätte schon viel früher die rote Karte zeigen müssen. Gegen den Nutzungsvertrag sei mehrere Male verstoßen worden: „Das rechtfertigt eine fristlose Kündigung“, sagt Vorbeck. Er gibt sich philosophisch: „Es heißt: Wer sich verteidigt, der klagt sich an“.

Der Antrag wird gekippt, frenetischer Jubel bei der HAK-Fraktion. SPD und Grüne stellen sich zwar klar hinter das HAK, lassen sich aber auf einen Kompromiss ein: Der aktuelle Nutzungsvertrag soll gekündigt und ein neuer mit Hilfe des HAK-Beirats formuliert werden. Großveranstaltungen dürfen nur noch an anderen Orten stattfinden und müssten mit Beirat und Stadtvertretung abgestimmt werden.

Die Jugendlichen sind erfreut und betrübt zugleich. „Mit der Selbstverwaltung ist es nun vorbei“, sagt Lara Falck. Finanziell sind sie nun von der Stadt abhängig, die sich etwa um die Kaution für Veranstaltungsorte kümmern will. „Theoretisch soll das so lange laufen, bis das HAK sich wieder selber finanzieren kann“, sagt Kirsten Tödt von der SPD.

Dass sich das HAK jahrelang selbst getragen hat, bleibt ebenso unerwähnt wie die ständige ehrenamtliche Arbeit. Jetzt muss der Beirat – HAK-Vorstand, Anwohner und Fraktionsmitglieder – mit der Stadtvertretung um Konzerte rangeln. Ob das rockt?