Essen auf Rädern

Ein Picknick im Grünen will gut geplant sein. Zumal wenn man mit seinem Liebsten radelt. Eine Tour de Frankfurt mit Muckefuck und Lammhack

von SYLVIA MEISE

Ratsch und ratsch und pling! Deckel ab und fingerfertig aufgetischt: ein Mix aus Oliven, Tomaten und Peperoni, weiß leuchtenden Schafskäsewürfeln und Putenschnitzelchen, alles bestreuselt mit zart duftender Minze. Ein Farbenschmaus aus der Tupperschachtel, serviert am grünen Wiesentisch. Dazu heute im Angebot: marokkanischer Gurkensalat im Glas mit Blick auf den wunderbarsten Waldsee im Umkreis von fünfzig Kilometern.

So kann das zweite Frühstück für zwei Radler auf Tagestour aussehen, wenn es aus der Bordküche kommt. Köstlichkeiten inklusive Logenplatz zum Selbstkostenpreis. Die mobile Kantine dieser beiden enthält je nach Tourlänge entweder zuvor bereitetes Essen oder Zutaten samt Kocher und Geschirr. Nix für Liebhaber von Keramikgeschirr, Gläsern und Besteck.

Die rollende Küche führt zweckmäßigerweise fast nur Plastik ultraleicht, denn nach Bikerregel Nummer eins zählt jedes Gramm. Platz sparende Ess-trink-Näpfe wiederum, wie beim Outdoorladen zu haben, müssen drinnen bleiben – ein bisschen Kultur darf es dann doch schon sein. Nur weil man unterwegs ist, braucht man ja nicht gleich aus der Dose zu löffeln.

Ein radelnder Wanderer stemmt genau das Maß an Kultur, das er sich wert ist, mit eigener Wadenkraft bergan, bergab. Das einzige Problem: Ständig packt man ein, aus oder um. Was die Pedaleure nicht im Kopf haben, müssen sie eben suchen. Auf großer Tour hängt die Genießerbordküche praktischerweise zerlegt und auf zwei Packtaschen verteilt vorn am Tiefträger. Die eine Seite etwa für morgens und unterwegs: Muckefuck und Zucker, Marmelade und Margarine. Dieses Fett darf übrigens nur im Urlaub die Butter ersetzen. Und dann auch nur, weil die Kühlung problematisch ist und bei Butter die Gefahr zu groß wäre, dass sie zu ekliger Brühe zerschmilzt.

Die andere Tasche lässt sich dann für die warme Abendküche präparieren. In die Teller geschmiegt – jeder Zentimeter zählt – steckt man den verschnürten Deckeltopf, in dem sich wiederum die zentralen Gewürze der Reiseküche stapeln. Chili, Curry und Provencekräuter, Reis sowie ausnahmsweise Brühwürfel beherbergt der Freilufttopf.

Außerdem noch – unverzichtbar, weil supervariabel und nicht überall zu kriegen – ein Beutel Linsen. Du Puy! Brauchen nur 20 Minuten, sind so köstlich wie nahrhaft und schmecken sogar Kindern. Für Linsensalat mit Hühnerfilet braucht man natürlich auch Essig und Öl. Und wo war noch gleich das Salz? Nicht auch im Topf? Nix für Messies, diese Schachtelei! Ruhig, nur ruhig. Hieß es nicht „Urlaub“? „Entspannung“? Geduld braucht er, der Großstadtnomade. Meist dauert es nur ein paar Tage, dann kennt man den Bordküchenschrank in- und auswendig.

Frühstücken am Meer, am Waldsee oder mit Panoramablick – kein Problem, auch wenn’s an der passenden Restauration mangelt. My bike is my Bed and Breakfast. Vorausgesetzt, man ist gut vorbereitet und macht eine perfekte Checkliste. Doch doch, Planung muss sein, auch für die kleine Tour. Damit nicht vor lauter Tortillasbacken und Flaschenfüllen die Putenschnitzel zu Haus im Kühlschrank bleiben.

Die Tagesliste ist nur ein kleiner Denkzettel. Ein Index für drei Wochen hingegen verlangt mehr. Bloß alles abhaken, sonst fehlt der Bratpfanne unterwegs der abnehmbare Griff, und man verbrennt sich die Finger.

Dass so ein Waschzettel tatsächlich ein heikler Punkt ist, findet auch die Internetgemeinde unter www.check liste.de oder www.radreise.de. Besonders bei Letzterer kann man sich an anderer Leute Erlebnissen festlesen – etwa Mexico by Bike, oder Tipps für Rad-Faltboot-Gespanne. Die Liste macht man aber doch besser selbst, denn die hier vorgestellten Küchenvorschläge sehen eher nach Ferienwohnung als nach mobiler Kost aus.

Wer bei Picknick nur Bemmen, Kniften oder Stullen sieht und als Dreingabe Frikas und Nudelsalat, gehört wohl zu jenen armen Schluckern, die obendrein noch unterwegs Grillwürstchen, Pizza oder missglückte Gemüsepampe konsumieren und dann plumpesatt auf ihren Rädern rumeiern. Frikadellen sind ja okay, aber wenn schon, dann bitte aus Lammhack, mit pfeffriger Minze und einem Schuss Zitrone.

Steht die Tourenplanung, einigen sich Reisekoch und Kaltmamsell auf die kulinarischen Erlebnisse. Naherholungsbeispiel Rheinstrand – für Frankfurter rund siebzig Kilometer, zum Teil durch die Rheinsenke. Könnte gut passieren, dass man sich dabei fühlt wie ein Würstchen in der Pfanne. Also mindestens vier Liter Flüssigkeit mitnehmen. Wenn’s früh losgeht und es im Wald noch kühl ist, darf auch gern die Kanne mit heißem Milchtee ins Gepäck. Für eine 70-km-Strecke kein Schwerpunktthema, auf wochenlangen Radtouren allerdings muss der Thermoskannenklotz, auch der schlanke mit dezenter tazze, zu Hause bleiben.

Fürs Frühstück ohne Kanne am Strand (wunderbar am Nord- wie Ostseeküstenradweg) wird der Muckefuck frisch aufgebrüht. Jedenfalls solange die Gaskartusche reicht. Angeblich gibt’s ja Nachfüllkartuschen „überall, auf jedem Campingplatz“.

Aber wenn man drei Tage vergeblich nach Nachschub suchen muss, bleibt die Küche kalt. Dann wird aus dem Omelett mit Krabben ein Krabbenbrot, die Eier werden verschenkt, und der Gastwirt guckt wieder freundlich. Perfekt und pfiffig dagegen sind „salt & pepper“. Dabei handelt es sich um gedeckelte Streukappen, die aus leeren Filmdosen Würzstreuer machen (1,75 Euro) und wie die Kartuschen bei Globetrotter zu kriegen sind.

Doch was kocht die Nachbarschaft? Da geht der einsame Radler, gerade angekommen, Wasser holen mit seinem Topf. Aber – was macht er? Wäscht sein Fahrrad und ölt’s zum Nachtisch. Wie bei Lucky Luke. Respekt: Immer erst das Pferd versorgen. Aber dann wird’s langweilig, der Junge macht für sich selber nur die Dose auf. Die Nachbarn zur Rechten toppen ihn noch. Da hocken zwei Frauen einträchtig nebeneinander vor den Kochern und halten Plastiktüten ins brodelnde Wasser. Aufreißen, fertig ist der Fraß. Endlich kommen noch zwei ins Camp, die sich was Frisches in den Pott schnipseln. Solchen Mobilgenießern hilft Omas Küchenpraxis, gepaart mit Outdoortechnologie.

Also: Den Vorratsschrank nach Norden hin bauen, sprich: die Küche in den Schatten rollen. Bisschen Energie sparen beim Kochen, etwa mit einem kupferbedampften Leichtkochtopf. Mit angeschweißtem und einklappbarem Deckelgriff, damit man den nicht zu Hause vergessen kann (um die 20 Euro, Globetrotter).

Gut ist auch, abends einzukaufen um die Nachtkühle für Morgenjogurt und Brötchenwurst zu nutzen. Denn sommers ist die Jausen- doch meist eine Schwitzpausenstation. Herrlich erfrischend im Schatten mit Aussicht. Wo auch das Auge abtauchen kann, etwa ins schraffierte Rotgrün der Weinstockreihen am Rhein. Noch eben den Stangenteller (Strandcampingzubehör) untern Ständer gefummelt, damit die Küche nicht umkippt.

Jetzt schnell die Decke ausgebreitet und die verbrauchten Kalorien aufgestockt: Raus mit den gefüllten Tortillas, den Hühnerbeinen, den Thunfischtaschen, dem Zaziki. Und zum Nachtisch die Beine ausgestreckt.

SYLVIA MEISE, 41, arbeitet als freie Journalistin im Frankfurt am Main und hat es faustdick in der Satteltasche