Rot-grüne Agrarreform kommt viel zu spät

Umweltschützer kritisieren die lange Übergangszeit der Reform: Viele Kleinbauern würden sie nicht mehr erleben

BERLIN taz ■ „Die Agrarreform ist ein Riesenschritt für die Landwirtschaft“, so jubelte jüngst Agrarministerin Renate Künast (Grüne). Von wegen: Die Agrarreform kommt viel zu spät, kritisierte gestern der Umweltverband BUND. Resultat: Die Großbauern würden weiter wachsen.

Vergangenen Freitag beschloss der Bundestag, die jährlich gut 5 Milliarden Euro EU-Beihilfen nicht mehr an die Produktionsmenge, sondern künftig an die Fläche eines Hofes zu koppeln. Damit lohnen sich intensive Tiermast oder großflächige Monokulturen viel weniger für die Bauern. Dies sei im Grundsatz richtig, sagt der Agrarexperte des BUND, Hubert Weiger. Aber „viele kleinere Bauern werden das neue Prämiensystem nicht mehr erleben“. Rot-Grün sei den unionsgeführten Ländern zu weit entgegengekommen: Das neue Subventionsprinzip greift erst in neun Jahren.

Bis dahin würden weiterhin umweltbewusste Bauern, die zum Beispiel ihre Kühe auf die Weide schicken, anstatt sie im Stall zusammenzupferchen, kaum Beihilfen aus Brüssel erhalten. Wegen der ruinösen Milchpreise stehen sie ohnehin unter Druck.

Das meiste Geld fließt stattdessen an die Rindermäster, die für Futtermaisanbau und Bullen insgesamt rund 1,64 Milliarden Euro pro Jahr aus Brüssel erhalten. „Umgerechnet zahlt dafür jeder Erwerbstätige in Deutschland 43 Euro“, klagt Weiger. Für das „Bundesprogramm Ökolandbau“ sind dagegen nur 53 Cent veranschlagt.

Weiteres Problem: Die Prämien für jedes Hektar können ähnlich wie Milchquoten gehandelt werden. „Die Großen kaufen im Voraus zu, die kleinen geben ab“, prophezeit Sebastian Lakner vom Ingenieurbüro für Naturschutz und Agrarökonomie. Er hat die Umweltwirkungen der Agrarreform im Auftrag des BUND untersucht. „Die Republik teilt sich in Schutz- und Schmutzzonen“, sagt er. Landwirte mit guten Böden etwa in der Magdeburger Börde wirtschafteten intensiv weiter. Flächen im Mittelgebirge fielen brach.

Um das zu verhindern, fordert der BUND gestern stärkere Umweltauflagen für subventionierte Bauern. Die will auch Künast. Nur: Der Bundesrat muss dem zustimmen. HANNA GERSMANN