village voice
: Mit Gewalt und Spucke: Aeox lassen es krachen

Zunächst bestaune man das aufwendig gestaltete Klappcover in leuchtend gelber Pappe. Auf der Vorderseite sieht man die beiden Künstler Hanno Hinkelbein und Al.x.e. in heiter entspannter Pose bei einem Feierabendbier, rechts über ihnen in der Ecke der Bandname Aeox, darunter der schöne Werktitel „Rich And Famous“. Damit man ihre nicht immer augenblicklich zugängliche Musik besser begreift, haben sie die Innenseiten mit erläuterndem Texten versehen: etwas Grundsätzliches zur RAF (womit die Royal Air Force gemeint ist), etwas Philosophisches über die Vorzüge des Dreiklassensystems (aus Platos „Staat“) sowie ein durchaus interessanter Erfahrungsbericht über das wohlbefindlichkeitssteigernde Zusammenspiel von Syphiliserregern und Penicillin (führt zum ultimativen Eiweißkick).

Dann steht da noch das Motto „Spucke ist gesund“, und dass man „den radikalen Umsturz der gegenwärtigen Musikordnung“ anstrebe, weswegen für den unbeteiligten Betrachter zumindest eines sicher ist: Aeox haben eine Mission.

Andererseits ist deshalb gar nichts mehr sicher, weil der Umsturz der gegenwärtigen Musikordnung einer umstürzlerischen Herangehensweise bedarf, die keine falsche Scheu kennt. Also lassen Aeox alle gängigen Stile über Genregrenzen hinweg formschön ineinander krachen, weshalb man hier auch von einer Art Crossover sprechen kann.

Dass die einzige Coverversion des Albums dabei aus dem Repertoire der beliebten Crossoverband Faith No More stammt, macht natürlich sehr viel Sinn. Noch mehr Sinn macht allerdings, dass man nach dem Höreindruck der Aeox’schen Neubearbeitung sich beim besten Willen nicht vorstellen kann, wie „We Care A Lot“ wohl im Original geklungen haben mag.

In der Vergangenheit haben Aeox bereits eine Reihe von Maxis auf ihrem Label Null veröffentlicht und eindrucksvoll bewiesen, dass sie auf der Basis von Techno, Industrial, HipHop, Hardcore und Krach zu einer Musik fähig sind, die zugleich reizend, nervtötend und ausgesucht schwungvoll sein kann. Bei ihren Konzerten tragen sie bevorzugt schmucklose Overalls und ziehen sich Strumpfhosen über die Schädel, was irgendwie an ihre Kollegen von Slipknot erinnert – eine andere Bande von Musikarbeitern, die sich mit musikalischen Mitteln an der Musik rächt.

Doch während man bei Slipknot den Eindruck hat, dass sie inzwischen zu einer unüberschaubaren Masse angewachsen sind, hat sich die Zahl der Mitglieder bei Aeox jüngst deutlich reduziert. Zuletzt verlor die Band ihren dritten Mann an eine christliche Splittergruppe, weshalb das verbleibende Duo auf dem Album nun mit „Have You Ever Lost A Friend To God?“ ein wirklich bemerkenswerte Frage stellt – wahrscheinlich ihr persönlichster Titel bislang. Darauf hört man laut Coverangabe „ein paar religious kids from u.s.a.“ erbauliche Textzeilen zum Besten geben, während dazu ein professionell verstolperter Breakbeat mit herrlich brummendem Brummbass läuft. Auf „Still Bill“ versucht sich wiederum der allseits beliebte Technoproduzent Bill Youngman zu einem Old-School-Beat als Rapper, was alles in allem irgendwie nach den Beastie Boys klingt.

Sehr schön ist auch das nahezu unhörbare „Disco Sucks!“, auf das wiederum das ausgesucht flotte Discostück „Nie mehr schlafen“ folgt. Auf der Ballade „Spit“ kommt dann noch einmal das oben erwähnte Motto zum Tragen, um sich in englischer Übersetzung in einen stimmungsvollen Refrain verwandeln. „My spit is healthy / my spit is healthy“. Dazu bitte bei passender Gelegenheit die Feuerzeuge anknipsen und in der entsprechenden Tonlage laut mitsingen.

HARALD PETERS

Aeox: „Rich And Famous“ (Null/Possible Music)