die schlaftablette und die rollende litfaßkugel von RALF SOTSCHECK
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Es klang zunächst wie eine gute Idee: Weil die Bahnfahrt von München nach Berlin teuer ist, reist man mit einem Mietwagen günstiger. Sixti, das Töchterchen von Sixt, verleiht angeblich einen Smart für fünf Euro am Tag, wenn man im Internet bucht. Dieser Preis gilt vermutlich nur für den 29. Februar. Im Juli und August kostet das Miniaturauto 20 Euro am Tag plus fünf Euro für die Versicherung. Und man muss das Auto sauber gewaschen, gefönt und gesaugt zurückgeben, sonst sind weitere 15 Euro fällig. Dafür hat man hundert Kilometer frei, was einem bei einer Strecke von München nach Berlin nicht allzu viel nützt.

Da ich den Wagen nicht zum elektronisch vereinbarten Abendtermin, sondern erst am nächsten Morgen abholen konnte, wollte ich den Autoverleihern vorsichtshalber Bescheid sagen. Zu diesem Zweck ist auf dem Prospekt eine 190er-Nummer angegeben – 63 Cent pro Minute. „Guten Tag und ganz herzlich willkommen bei Sixti“, sagte eine freundliche, aber ausgesprochen langsame Dame. „Mein Name ist Doris, was kann ich denn heute für Sie tun?“ Damit waren die ersten 40 Cent futsch. Ich trug mein Anliegen in Windeseile vor, stieß damit aber auf Schweigen. War Doris eingeschlafen? Ich hakte nach. Würde die Vertragsnummer vielleicht von Nutzen sein?

„Ja“, meldete sich Doris verschlafen, und ich ratterte die Nummer herunter. „Moooment“, kam es zurück. Sie müsse den Computer erst einschalten. Es schien sich um ein älteres Gerät zu handeln. Schließlich durfte ich die vielstellige Nummer erneut aufsagen. Nach der dritten Wiederholung hatte Doris es kapiert. „Ich kann das Auto nicht umbuchen“, sagte sie, „da es sich um eine elektronische Buchung handelt.“ Das solle sie ja auch gar nicht, dieterthomasheckte ich ins Telefon, ich wolle das Auto ja bloß einen halben Tag später abholen. „Ach, ich soll es gar nicht umbuchen?“ Doris hatte einen Abendkurs im Langsamsprechen belegt, so viel war klar. Ich versuchte, mittels Telegrammstil ein paar Cent zu sparen: „Nicht umbuchen. Notieren: Wagen wird morgen abgeholt. Alles klar?“ Doris fasste unser Gespräch detailliert zusammen, wünschte mir einen schönen Tag in München, ein sonniges Wochenende und eine gute Fahrt. Vermutlich hätte sie auch meine Mutter grüßen lassen und mir die allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgelesen, wenn ich nicht aufgelegt hätte.

Die Sixti-Autos stehen am Stachus in einer Tiefgarage – ein Dutzend Smarts. Einer davon war beidseitig mit einer riesigen Sixti-Reklame beklebt, und auf den ging der Sixti-Angestellte zu. Bitte nicht, bettelte ich ihn an, ich wolle keine rollende Litfaßkugel. Er möge mir irgendeinen anderen Smart geben, meinetwegen sogar den bayernmünchenfarbenen. Dieser Wagen sei mir nun mal zugeteilt worden, entgegnete er. Aber wenn es mir nicht passe, könne ich ja die Service-Nummer anrufen. Um Doris das zu erklären, würde so viel Zeit vergehen, dass ich mir genauso gut einen Smart kaufen könnte, dachte ich mir und beschloss, mich lieber in der Reklamekugel lächerlich zu machen.