Die Post lehrt uns Kultur

Die Schneckenpost reagiert auf Schelte von der taz und will beschleunigen. Daran gibt es nichts zu nörgeln

Weil die Post seit Anfang Juli Einzelmarken nicht mehr an allen Schaltern verkauft, ist am Standort Deutschland wieder einmal etwas bedroht: Dieses Mal sind’s die Philatelisten. Elmar Müller, Sprecher des Postkundenforums und selbst Briefmarkensammler, sieht sich und andere durch diese Maßnahme „veralbert“. Sie beweise „das sichere Gespür der Postmanager, wie man erfolgreich den Kampf gegen die eigene Kundschaft führt“. Den Postkunden werde durch die Neuerung „viel unnötige Wartezeit am Postschalter entstehen“.

Das ist natürlich Unsinn. Wie ich in der taz vom 24. April vorrechnete, entstehen die langen Warteschlangen, weil die Post zu wenig Personal hinter ihre schicken neuen Design-Schalter stellt. Seit gestern weiß ich, dass dafür außerdem 2,7 Millionen deutsche Briefmarkensammler verantwortlich sind. Anscheinend sind nicht alle so klug wie Elmar Müller, der den Abo-Service der Post bemüht.

Ja, aber die Touristen, wendet Müller ein.

Merkwürdig, dass sich ausgerechnet ein Liberalisierer wie Elmar Müller, der frühere Vorsitzende des Beirats der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post und Postpolitische Sprecher der Unionsfraktion, gegen Automaten ausspricht. Ansonsten rechnen uns die Müllers allerorten vor, dass Automaten billiger sind als Arbeitskräfte, jedenfalls in Deutschland.

Aber der durchschnittliche Deutsche verschicke pro Jahr nur acht Briefe!

Umso besser, sage ich, dann muss er sich nur einmal im Jahr anstellen, um ein Zehnerheftchen zu kaufen. Nein, lieber Herr Müller, die Post ist auf dem richtigen Weg. Die Philatelisten werden immer älter und bald weniger, sie sind eine aussterbende Spezies. Helfen auch wir der Post dabei, auf neue Marktgegebenheiten zu reagieren: So wie wir nicht mehr wegen jedem Schnupfen zum Arzt laufen sollen, stellt sich heute kein vernünftiger Mensch in eine Schlange bei der Post, um eine Briefmarke zu kaufen. Vorratshaltung ist eine Kulturleistung des Menschen.

Und wenn die Post dank unserer Disziplin Personal hinterm Tresen einspart, könnten deren Manager ihren kundenfeindlichen Beschluss rückgängig machen, ihre Berliner Zustellbezirke zusammenzulegen. Dann bekomme ich meine Briefe wieder um zehn Uhr statt um halb drei am Nachmittag und könnte darauf verzichten, einen weiteren Beitrag über die Monopolisten zu schreiben. PETER KÖPF