Cap-Anamur-Chef in Not

Elias Bierdel, der sich vom Berichterstatter zum Helfer wandelte, sitzt nach einer Rettungsaktion in Italien in Haft

Elias Bierdel, Chef der deutschen Hilfsorganisation Cap Anamur, sitzt in Italien in Haft. Kurz vor seiner Festnahme am Montag – er wartete auf seine Vernehmung – telefonierte er noch mit der taz. Er sitze hier bei netten Menschen, die ihm seinen ersten italienischen Kaffee angeboten hätten, sagte der da noch unerschrockene Helfer, erleichtert über die Landeerlaubnis in Porto Empedocle. „Mir geht es vor allem darum, Menschenleben zu retten“, wiederholte der frühere Journalist mehrfach. Und weil er nicht mehr nur Menschen in Not ein Mikrofon unter die Nase halten, sondern etwas gegen deren Elend tun wollte, trat er im Juli 2002 Cap Anamur bei.

Die Hilfsorganisation, damals noch von Rupert Neudeck geleitet, hatte Bierdel kennen gelernt, als er als ARD-Korrespondent auf dem Balkan arbeitete. Um den Jahreswechsel arbeitete er dann selbst in einem Cap-Anamur-Projekt mit. Für 1.100 Euro Einheitslohn baute er in Afghanistan ein halbes Jahr lang Schulen auf.

„Schon damals hatten er und Rupert Neudeck einen ganz intensiven Kontakt“, erinnert sich Bernd Göken, Büroleiter von Cap Anamur. Als Neudeck 2002 nach 23 Jahren seinen Vorsitz abgeben wollte, war Bierdel der ideale Nachfolger. Einstimmig wurde Bierdel von den Cap-Anamur-Vereinsmitgliedern am 3. Dezember 2002 zum neuen Vorsitzenden gewählt. Seitdem ist er zuständig für die Projektorganisation. In der Regel besucht er die laufenden Projekte nur für Stippvisiten, um die Mitarbeiter zu unterstützen. Diese Arbeit führte ihn schon in den Irak, nach Haiti, Afghanistan, Liberia. Auf dem Rettungsschiff „Cap Anamur“ blieb Bierdel länger als üblich. Er hatte sich einfliegen lassen, nachdem die Flüchtlinge zwischen Libyen und Malta an Bord genommen worden waren.

„Wir schätzen Elias, weil er hohes Einfühlungsvermögen hat, einen guten Kontakt zu Menschen, kreativ ist und sich durchsetzen kann“, beschreibt Göken seinen Chef. Darüber hinaus verfügt Bierdel über eine hohe Risikobereitschaft. Als sein Sender ihn während seiner Zeit im Balkan zum eigenen Schutz wieder nach Deutschland zurückholen will, bleibt er. Der Vater zweier Töchter will nicht hinnehmen, dass Reporter auf Befehl eines totalitären Regimes das Kosovo verlassen müssen. Er taucht ab. Erst zwei Tage nach Beginn der Nato-Luftangriffe flieht auch er.

Der gebürtige Westberliner begann nach dem Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften bei der WAZ. Nach einer Zeit als freier Journalist für Rundfunk und Fernsehen kam er zur ARD. Heute lebt er mit seiner Familie in Köln. Die fragt sich zurzeit besorgt, wann der Familienvater aus der Haft entlassen wird. Seine Frau, die als Schauspielerin arbeitet, unterstützt das Engagement ihres Mannes, ebenso wie die fast erwachsenen Töchter. Aber ob er dann nach Hause kommen wird, bleibt ungewiss. Es ist trotz der schweren Vorwürfe – Begünstigung illegaler Einwanderung – zu vermuten, dass Bierdel weitermachen wird. SUSANNE VANGEROW