berliner szenen Und wieder Wetter

Es wird Cocktails geben

Cool, sagt mein Regen sammelnder Freund und betrachtet sich im Spiegel. Tausend Dank, sagt er und klopft mir etwas unbeholfen unters Schulterblatt. Aber er freut sich wirklich über sein neues T-Shirt. Muss er auch, nachdem ich dafür zwei Stunden in der Ozon durchwehten Luft eines Moabiter Copy-Shops verbracht habe. „Für einen fiesen Niesel fahr ich meilenweit“, steht vorne drauf und auf der Rückseite: „Proud Member of the Royal Society of Rain Watching“. Es ist blaugrau und passt wirklich gut zu seinen Augen, wie mir mit einem Mal auffällt.

Ob ich was trinken will, fragt er mich. Er habe da was Neues. Ahnungslos bejahe ich, und nachdem er ganze sieben Minuten in der Küche gewerkelt hat, bringt er mir ein Cocktailglas mit einem – wie soll ich sagen – kunstvollen Staubrand. „Ist das Staub da am Glasrand?“, frage ich, und er sagt: „Das ist ein Wilmersdorfer Violent Bambino. Meine Erfindung.“ – „Ein Weiland-Bambino?“, frage ich vorsichtig nach, und er sagt: „Ja, probier’s!“

Das Zeug schmeckt sanft, weicher als Wasser, sehr flüssig und ein bisschen nach Blei, ein bisschen nach Gin. Er schaut mich voller Erwartung an. Ich zucke mit den Schultern und stelle das Glas wieder ab. „Weißt du noch, letzten Donnerstag? Die Tiefausläufer aus dem skandinavischen Raum. Tundra-Partikel. Der Geschmack von fliehenden Rentierherden. Dünn besiedelte Weite. Der ewige Tag, die ewige Nacht. Alles da drin.“ Ich bin etwas verwirrt. Worauf will er hinaus? Er steht auf und sagt: „Und dann ging die ganze Chose über Wilmersdorf nieder. Und ich war dabei!“ Regenwasser! Aufgefüllt mit Gin. „Nicht Regenwasser“, verbessert er mich, „weit gereistes Wasser! Jeder Drink ein Einzelstück.“ Jetzt muss ich wohl was sagen. MONIKA RINCK