Türkenmusik nix für Deutschländer

Rap vor Gericht: Jens Dimmler, Musikchef des Senders Kiss FM, wurde beim Lügen erwischt. Er hatte abgestritten, eine Single von Eko Fresh und Azra abgelehnt zu haben, weil er schon „zu oft Stress mit Türken hatte“

So sieht ein Verlierer aus: Als Jens Dimmler, Musikchef des Berliner Radiosenders Kiss FM, am Donnerstag die 27. Zivilkammer des Landgerichts Berlin verließ, war selbst seinem Anwalt das Lachen vergangen. „Ich lasse mich höchst ungern von meinen Mandanten belügen“, nuschelte der im Rausgehen und ward nicht mehr gesehen.

Dabei war die Geschichte, die Dimmler vor Gericht brachte, fast zu dumm, um wahr zu sein: Am 27. Mai bekam Dimmler Besuch von Marcus Staiger, dem Chef des Berliner Raplabels Royal Bunker. Ein Routinetermin, bei dem Marcus Staiger die aktuelle Single seiner Künstler Eko Fresh und Azra anpreisen wollte – „Dünya Dönyür – Die Welt dreht sich“. Dass Dimmler der Single keinerlei Chance auf Airplay einräumte, ist die eine Sache, seine von Marcus Staiger kolportierte Begründung eine andere.

„Diese Türkenmusik spiele ich nicht“, soll Dimmler gesagt haben, er habe mit Türken schon zu viel Stress gehabt. Eine Begründung, die Marcus Staiger sogleich zu einer seiner gefürchteten Pressemitteilungen veranlasste, die in einem indirekten Boykott-Aufruf endete und nicht zu erwähnen vergaß, dass knapp die Hälfte der Berliner Kiss FM-Hörer türkischstämmig seien.

Die Antwort kam prompt: eine von Kiss FM erwirkte einstweilige Verfügung, die Staiger gegen Androhung einer empfindlichen Geldstrafe verbat, seine Sicht der Dinge weiter öffentlich zu äußern. „Das Allerletzte“ sei es, so Kiss-Pressesprecher Michael Weiland, mit aus der Luft gegriffenen Rassismusvorwürfen eine Platte ins Gespräch zu bringen.

Ganz so sehr aus der Luft gegriffen scheinen Staigers Anschuldigungen nicht gewesen zu sein: Die Vorsitzende Richterin betonte gleich zu Beginn der Verhandlung, der Version Marcus Staigers weitaus mehr Glauben zu schenken als der des Kiss-FM-Musikchefs. Und so blieb Dimmler nicht viel mehr als der geordnete Rückzug: Seine eidesstattliche Erklärung, in der er Staiger der Lüge bezichtigte, wiederrief er „mit Bedauern“, und auch die Prozesskosten wird er tragen müssen – von einer eventuellen Strafe wegen Falschaussage ganz zu schweigen. Ob mit dem von Dimmler verursachten Image-GAU auch die Karriere des Radiojournalisten Schaden nimmt, bleibt abzuwarten: Ein ZDF-Programm-Direktor, der ähnlich versiert seine Zielgruppe beleidigt hätte („Dieses Inge-Meysel-Porträt senden wir nicht, ich habe mit Rentnern schon zu viel Stress gehabt“) – er wäre wohl die längste Zeit in Amt und Würden gewesen. CORNELIUS TITTEL