Rüttgers droht Personalnotstand

Der Rücktritt des rasenden NRW-Verkehrsministers Oliver Wittke offenbart vor allem eines: Der CDU unter Ministerpräsident Jürgen Rüttgers fehlen fähige Köpfe. Dabei gilt eine grundlegende Kabinettsreform in Düsseldorf längst als überfällig

AUS DÜSSELDORF ANDREAS WYPUTTA

Auf den Rücktritt seines Verkehrsministers Oliver Wittke reagierte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers denkbar knapp. „Gedankt“ habe er seinem Parteifreund, lässt Christdemokrat Rüttgers mitteilen. „Über die Nachfolge wird zu gegebener Zeit entschieden“, heißt es zudem noch. Befeuert werden so Spekulationen, am Rhein stehe nun eine generelle Kabinettsreform bevor.

In Rüttgers’ schwarz-gelber Regierungskoalition war der Ausfall Wittkes schlicht nicht eingeplant: Völlig überraschend hatte der 42-Jährige am frühen Mittwochabend vor laufenden Fernsehkameras sein Amt zur Verfügung gestellt. Wittke war mit Informationen des WDR konfrontiert worden, nach denen er wegen Raserei bereits zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit seinen Führerschein verloren hat. Nicht mehr tragbar war er damit, wurde Wittke nach halbstündiger Bedenkzeit klar. Schließlich hatte er bereits vergangene Woche kleinlaut einräumen müssen, dass er auch im November geblitzt wurde: Kurz vor dem Ortsausgangsschild des sauerländischen Meschede hatte die Polizei den Schirmherrn der Aktion „Runter vom Gas“ mit 109 Stundenkilometern erwischt. Erlaubt waren 50.

Dass Wittke seine zweimalige Raserei im Kabinett verschwieg, war auch Rüttgers zu viel. Jetzt rätselt Düsseldorf, wen der Regierungschef zum neuen Verkehrsminister machen könnte. Rüttgers Personaldecke ist dünn. In der CDU-Landtagsfraktion wird der Verkehrsexperte Bernd Schulte als möglicher Nachfolger gehandelt. In der Staatskanzlei aber gilt der unbekannte Hinterbänkler schlicht als nicht ministrabel.

Dabei ist der Personalnotstand typisch für das Kabinett Rüttgers, sogar für die gesamte nordrhein-westfälische CDU. Mangels geeigneten Kandidaten hält Rüttgers an seinen RessortchefInnen fest, mögen sie auch noch so angeschlagen sein: CDU-Umweltminister Eckhard Uhlenberg leugnete über Jahre eine Vergiftung des Trinkwassers aus der Ruhr. Seine Parteifreundin, Schulministerin Barbara Sommer, ließ Nordrhein-Westfalens SchülerInnen bei der Einführung des Zentralabiturs Mathematikaufgaben vorlegen, die mit den zur Verfügung gestellten Daten nicht lösbar waren. Und CDU-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter, politisch für den Foltermord im Jugendknast Siegburg verantwortlich, wird mit immer neuen Gewalttaten in den Gefängnissen konfrontiert.

Die wenigen Nachwuchstalente der Christdemokraten zieht es nach Berlin. Der CDU-Finanzpolitiker Volkmar Klein, in Düsseldorf als Ersatzmann für den 67-jährigen Finanzminister Helmut Linssen gehandelt, will in den Bundestag, ebenso Gesundheitsexperte Rudolf Henke. Selbst der Chef der nordrhein-westfälischen Jungen Union, Sven Volmering, glaubt nicht an eine Karriere am Rhein und setzt auf die Hauptstadt. Und der junge CDU-Generalsekretär Hendrik Wüst ist als Nachfolger des scheidenden Fraktionschefs Helmut Stahl bereits fest verplant.

Von Rüttgers’ Personalnot profitieren könnte deshalb ausgerechnet Oliver Wittke. Der Vorsitzende der CDU im Ruhrgebiet, der sein Landtagsmandat auf jeden Fall behalten will, präsentierte sich gestern auffallend gut gelaunt: Gut möglich, dass Rüttgers ihn nach den Landtagswahlen 2010 wieder braucht.