Kinder, Kinder, Kinder

Sprösslinge von Prominenten müssen vor öffentlicher Aufmerksamkeit geschützt werden – und vor ihren allzu geschäftstüchtigen Eltern

VON ULRICH F. SCHNEIDER

Gerade erst das Licht der Welt erblickt und schon im medialen Rampenlicht. Doch was unterscheidet Prominentenkinder vom Rest der Welt? Sind sie doch so gewöhnlich wie jeder andere Balg, lässt sie ihre Abstammung von Eltern, die jeder kennt, letztlich gleicher als gleich werden.

Nun ist dieser Zustand zumindest für die Nachkömmlinge des Hochadels seit jeher Tradition, ihre Geburt ein nationales Ereignis. Schließlich will der aufgeklärte Bürger wissen, wer sich da in die königliche Familie einreiht. Als 1957 im glamourösen Monaco die Tochter von Grace Kelly geboren wurde, da erstarrten die Kugeln an sämtlichen Roulettetischen, gefolgt vom mächtigen Donnern salutierender Kanonen. Eine Medienprinzessin ward geboren.

Stolz präsentierte im vergangenen Jahr der niederländische Prinz William-Alexander seine Tochter Catharina-Amalia der Öffentlichkeit. Das Fleisch gewordene Produkt hochblütiger Nachwuchsproduktion ist inzwischen auch hoch offiziell als Briefmarke zu haben.

Auch Franz Beckenbauer zierte sich nicht, das prachtvolle Ergebnis seines Seitensprungs als „Prinzessin“ auf Deutschlands größter Tageszeitung vorzuführen. Seinen bislang „größten Erfolg“ feierte die Radsportikone Jan Ullrich im Zeitschriften-Marktführer, beim Wickeln verriet er der Nation: „Unser Baby rettete mich aus der Krise.“

Dieser prominente Babyboom verrät einiges über die Funktionalität des Prominenzphänomens unter modernen Medienbedingungen. Mit der kulturellen Ausbreitung einer Prominenz, die sich in der Höhe eines erreichten Bekanntheitsgrades bemisst, entfernt sich die heutige Prominenz zunehmend von ihren Ursprüngen. Als das Ergebnis einer Fachleistung war sie einst ein Nebeneffekt, der sich durch das erfolgreiche Streben nach etwas Bestimmten und Hochwertigen eingestellt hat. Heute genügt das Faktum öffentlicher Aufmerksamkeit.

Wer in den Medien präsent ist, gelangt in die Köpfe der Menschen, und wer sich in den Köpfen der Menschen hält, der wird bedeutend. Allein durch das Wissen über das vorhandene Wissen in den Köpfen der vielen anderen. Der Prominente ist zu einer Marke geworden und erhält sich wie eine Markenpersönlichkeit durch immer neu provozierte Assoziationen im öffentlichen Bewusstsein. Sein Image ist ein Kapital, das sich über zahlreiche Kommerzialisierungswege abschöpfen lässt. Mit diesen Nebeneinnahmen lässt sich nicht zuletzt ein Vielfaches dessen verdienen, was sich über die Entlohnung der reinen Kerntätigkeit hinaus zu erzielen vermag. Im Konkurrenzkampf um die Wertschöpfung öffentlicher Aufmerksamkeit werden mitunter alle Register gezogen.

Denn eine einmal geschaffene Prominenz, die an sich vergänglich ist, kann immer wieder aktiviert und fortgeführt werden. Ein vortreffliches Mittel ist hierbei die öffentliche Zurschaustellung der eigenen Privatheit. Dieser allgemeine Trend übt heute auf jeden öffentlichen Akteur einen Zwang aus, der in ein persönliches Dilemma führt: zwischen den Möglichkeiten der Erhaltung und Steigerung des Prominentenstatus und den negativen Folgen diesen Handelns. Denn die veröffentlichte Privatheit verkümmert zur Koketterie, zu einem inszenatorischen Element einer öffentlichen Aufführung.

Lag es geradezu in der Intention des Gesetzgebers und der Rechtsprechung, jeder Mensch solle das Recht haben, für sich zu sein und sich selbst zu gehören (insbesondere das Recht am eigenen Bild sollte dazu dienen, dass niemand ungefragt in fremde Hände gerät), so stellt sich heute verstärkt ein ganz anderes Problem. Denn niemand verbietet es, wenn an sich geschützte Bereiche selbst an die Öffentlichkeit getragen werden.

Als das Bundesverfassungsgericht 1999 Prominentenkindern eine besondere Schutzbedürftigkeit attestierte und ihre Rechte stärkte, da warnte es vor den weit reichenden Gefahren, welche von den Medienschaffenden und den Rezipienten ausgehen. Angesichts durch den in der eigenen Familie initiierten und um sich greifenden Medien-Kindesmissbrauchs fragt man sich allerdings, wer schützt diese Kinder vor ihren prominenten Eltern? Schließlich werden sie letztlich zur medialen Prostitution als Darsteller in einem öffentlichen Schauspiel gezwungen. Während Caroline im Namen ihrer neugeborenen Tochter 77.000 Euro Schmerzensgeld für ein paar Fotos erstritt, gehen andere Prominente den umgekehrten Weg. Sie lassen derartige Bilder selbst anfertigen und verkaufen diese höchstbietend an die Presse.

Ein Novum ist hier Claudia Schiffer: Ihr Sohn Caspar prangt derzeit nicht nur von Deutschland bis nach Russland auf 25 Millionen Katalogen eines großen Versandhauses. Im eigenen Garten wurde das spielende Kleinkind in zärtlicher Atmosphäre zwischen Mutter und Sohn gar zum Hauptakteur in einem Werbespot für Schokolade.

Und was den Spross von André Agassi und Steffi Graf anbelangt, da genügt ein Blick auf den offiziellen Fotonachweis des heutigen Bildes auf dieser Seite. Komisch, oder?