Schiffe versenken an der Schlachte?

Das Theaterschiff sieht sich durch „behördliche Attacken“ existentiell bedroht. Die Ämter aber verweisen auf Treibeis als Gefahrenquell. Auch die anderen Schlachte-Anlieger sollen vor dem Schicksal der „Titanic“ bewahrt werden

Bremen taz ■ Bullaugen heißen amtlich „wasserdichte Rundfenster“ und sind gefährlich – auch für ein Theaterschiff. Die seit sieben Monaten am Tiefer vertäute „MS Rügen“ sieht sich „existentiell bedroht“: Das zur Bühne umgebaute Binnenschiff – gerade erst von der Werft zurück – muss für 30.000 Euro seine Fensterfläche halbieren, sonst wird ihm die Zulassung entzogen.

Der Grund der amtlichen Auflage: Treibeisgefahr. Bei Schollengang auf der Weser könnten die tief angesetzten Bullaugen eingedrückt werden. Theaterkapitän Knut Schakinnis ist sich mit den Behördenvertretern zwar einig geworden, dass keine „Gefahr im Verzug“ herrscht. Trotzdem müsse er bis Ende September alle Arbeiten ausführen. „Finanziell völlig unmöglich“, sagt der ehrenamtlich arbeitende Schauspieler. Aber die „behördliche Attacken“ würden „brutal durchgezogen“. Zuständig für Schakinnis und die anderen Schlachteschiffe ist – unter anderen – die Schiffs-Untersuchungskommission“ (SUK). Dort sei ihm gesagt worden: „Die kommen jetzt alle an die Reihe.“

Pfannkuchen-Fregatte, Discoschiff, der schwimmende Eissalon „Pinguin“ – alle von Amts wegen „versenkt“? „Nein“, sagt Sönke Meesenburg, Leiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes, ebenfalls zuständig für die Genehmigungen. Richtig sei jedoch, dass derzeit das Weser-Räumungskonzept „konkretisiert“ werde, um bei Eisgang zu evakuieren. In diesem Zusammenhang weise man die Schiffshalter auf ihre Pflichten hin. Was nicht als „Verfolgung einzelner Schiffe“ sondern als „Sicherheitsgewährleistung“ zu verstehen sei.

Theaterschiffer Schakinnis aber sieht sich „in der Mühle“ zwischen den Behörden. Das Hochbauamt habe alle baulichen Maßnahmen auf der „MS Rügen“ längst genehmigt – nun plötzlich schieße die SUK quer.

Bremens maritime Ämtervielfalt – auch „Bremen Ports“ und der Hafenkapitän haben ein Wörtchen mitzureden – macht die Situation unübersichtlich. Hintergrund: Durch den Bau der Schiffsanleger vor drei Jahren ist die Schlachte zum „stadtbremischen Hafen“ geworden. Dessen Wasser sich mit der Weser – einer Bundeswasserstraße – mischt. Das Anlegen ist wie das Parken an einer Autobahn, andererseits handelt es sich um kommunal ausgewiesene Stellplätze. Mit jeweils eigenen Vorschriften.

Bei der Bremer Touristik Zentrale (BTZ) ist man besorgt. Das Theaterschiff gilt als „sehr wichtige“ Attraktion, speziell zur Belebung des gerade für 3,5 Millionen Euro ausgebauten Uferstücks am Tiefer, die bundesweit beworben wird. Auch die anderen 18 registrierten Schiffe – fast die Hälfte sind Festanlieger – gehören für BTZ-Chef Peter Siemering zur „Seele der Schlachte“, die jährlich zwei Millionen BesucherInnen anzieht. Deren Ufer ohne Schiffe – das wolle man sich „gar nicht ausmalen“, heißt es auch im Haus des Hafensenators, wo man über die Verteilung der begehrten Liegeplätze entscheidet.

Wie passt das alles zu Schakinnis Bullaugen-Problemen? „Uns geht es um die Sicherheit der Leute an Bord“, sagt der zuständige SUK-Mitarbeiter, „nicht um Optik“. Henning Bleyl