„Es wird immer grotesker“

Interview mit Elizabeth Adjei, Direktorin der Einwanderungsbehörde von Ghana,über die europäische Abschiebepraxis gegenüber illegalen Einwanderern aus Afrika

taz: Was halten Sie vom Vorhaben der Stadt Hamburg, vier ghanaische Kinder nach Accra abzuschieben?

Elizabeth Adjei: Ich weiß nicht, was die deutschen Behörden da machen. Ich habe echte Probleme, eine Entscheidung für eine Abschiebung von Minderjährigen weg von ihren Erziehungsberechtigten nachzuvollziehen. In Ghana würde in so einem Fall zunächst der Status der Erziehungsberechtigten geprüft. Wenn deren Papiere in Ordnung sind, dann hätten die minderjährigen Kinder automatisch eine Aufenthalterlaubnis, egal, wann sie eingereist sind.

Was bedeutet das für die Praxis im Umgang Ghanas mit Abgeschobenen?

Früher haben wir die Abgeschobenen bestraft, wenn sie deportiert wurden. Wir meinten, sie hätten den Ruf unseres Landes beschädigt. Heute müssen wir über die Verantwortlichkeit der abschiebenden Länder sprechen. Es wird ja immer grotesker. Manchmal kommen am Flughafen Leute an, die sagen, sie seien gar nicht ghanaische Staatsbürger. Wir können aber nicht über die Staatsbürgerschaft von Einreisenden entscheiden, wir können nur die Papiere überpüfen. Wenn nicht eindeutig klar ist, dass ein Abgeschobener die ghanaische Staatsbürgerschaft hat und sich dazu auch bekennt, muss die Fluggesellschaft die Leute wieder mitnehmen. Wir sind nicht mehr bereit, die Aufgaben europäischer Behörden zu übernehmen.

Was meinen Sie damit?

Diese Länder müssen lernen, dass auch wir unsere professionellen Standards haben. Schließlich handelt es sich um Menschen. Und wir versuchen deren humanitäre Rechte sicherzustellen. Wie kann es sein, dass ein Mensch in einem Land zehn Jahre und länger lebt, nicht selten mit Familie, regelmäßig Lohn kriegt, Steuern und Abgaben zahlt, oft ohne soziale Absicherung, und dann bei der Abschiebung nicht einmal seine nötigsten Sachen mitnehmen darf? Der weitaus größte Teil dieser Menschen ist diesen Staaten nicht zur Last gefallen.

Aber gar niemanden mehr abzuschieben wäre kaum akzeptabel für Deutschland und Europa.

In der Tat habe ich öfters wütende Botschafter vor mir sitzen und bekomme Protestnoten. Einem italienischen Botschafter sagte ich, dass seine Landsleute auch nicht überall hin legal eingewandert seien. Es geht um Zusammenarbeit zwischen Sender- und Empfängerländern. Sicherlich handelt es sich bei vielen Migranten um Wirtschaftsflüchtlinge. Das bedeutet aber auch, dass sie sich eine Basis in der Fremde aufgebaut hatten. Man kann sie nun nicht einfach ins Nichts zurückschicken. Als Nigeria in den 80er-Jahren rund eine Million Ghanaer abschob, brach unsere halbe Wirtschaft zusammen. Wenn tausende Auslandsghanaer nach und nach aus Europa kommen, ist das für uns ähnlich. Sie dürfen nicht vergessen, dass diese sich auch um ihre zurückgebliebenen Verwandten mit ihrem in Europa verdienten Geld gesorgt haben. Wir brauchen ein Reintegrationsprogramm für Heimkehrer – Startkapital oder Berufsausbildung – oder auch Einwanderungsquoten, um Illegale aus dem Versteckspiel herauszuholen.

Wie wollen afrikanische Staaten zukünftig mit Migration und Abschiebung umgehen?

Es ist ein wirtschaftliches Problem, und wir müssen uns da selbst helfen. Schließlich laufen uns die besten Leute weg. Auch die EU hat mit der Erklärung von Tampere 1999 das Phänomen der Migration mit der wirtschaftlichen Situation verbunden. Aber auf keinen Fall kann man Rückführung mit Entwicklungshilfe koppeln. Zu fordern, entweder ihr nehmt eure Migranten wieder auf, oder wir bewerten die Entwicklungshilfe neu, grenzt an Erpressung. Wir sollen unsere Länder offen für alles machen: Menschen, Produkte, Investitionen. Jeder kann vom Norden in den Süden. Aber umgekehrt gibt es große Hindernisse.

INTERVIEW: HAKEEM JIMO