Die Aussicht bleibt „beunruhigend“

Nach den Stromausfällen in den USA soll ein neues Energiegesetz künftige Desaster vermeiden. Es geht um bessere Überwachung und die Erleichterung von Investitionen. An der Energieverschwendung in den USA wird sich aber nichts ändern

aus New York NICOLA LIEBERT

Gewaltige Stromausfälle sind in den USA nichts Neues. Bis vergangene Woche galt der Stromausfall von 1965 als der größte. 1977 folgte der berüchtigte New Yorker Blackout, bei dem die Stadt in einer Orgie von Gewalt und Plünderungen versank. An der Westküste kam es 1996 zweimal zu größeren Stromausfällen und 1998 im Mittleren Westen und Kanada.

Jetzt versprechen Politiker aller Parteien ein neues Energiegesetz, das Ausfälle verhindern soll. Der Gesetzentwurf enthält Klauseln, durch die Investitionen ins Stromnetz erleichtert und landesweit einheitliche Überwachungsstandards eingeführt werden sollen. Ein wesentliches Problem, den ausufernden Energiehunger der US-Amerikaner, geht das neue Gesetz kaum an. Im Wesentlichen setzt es auf mehr Energieproduktion, was den der Bush-Regierung nahe stehenden Energie- und Ölunternehmen nutzen wird. Billy Tauzin, der einflussreiche republikanische Vorsitzende des Energie- und Wirtschaftsausschusses im Abgeordnetenhaus, will das Energiegesetz spätestens im November dem Präsidenten zur Unterschrift vorlegen. „Die Black-outs bieten uns einen beunruhigenden Blick in die Zukunft“, unkte er.

Ãhnlich drohende Szenarien hatten republikanische Politiker schon vor zwei Jahren beschworen, als der Energiegesetzentwurf aus der Taufe gehoben wurde. Damals brach in Kalifornien häufig die Stromversorgung zusammen. Anders als jetzt waren das allerdings gesteuerte Abschaltungen wegen Stromknappheit. Allerdings stellte sich heraus, dass die kalifornische Krise mitnichten an zu geringer Energieerzeugung lag. Vielmehr hatten Energiekonzerne wie Enron eine künstliche Knappheit erzeugt. Im Dezember 2000 kletterte der Preis auf bis zu 1.500 Dollar pro Megawattstunde, das Vierzigfache des normalen Preises. Die Stromversorger, die die Lieferung des Stroms an die Endkunden organisieren, gingen zum Teil in Konkurs. Die Stromerzeuger verdienten dagegen kräftig.

Obwohl die Art der Blackouts unterschiedlich war, scheint in beiden Fällen die Deregulierung der Elektrizitätswirtschaft schuld zu sein. Seither müssen die Energieversorger den Strom von privaten Energieerzeugern ankaufen. Ein landesübergreifender Energiehandel entstand, während aber das Leitungsnetz und dessen Management weiterhin regional ausgerichtet sind. Dies überlastet die wenigen Leitungen.

In Kalifornien nutzten die Energieerzeuger die Engpässe, um die Preise hochzutreiben. An der Ostküste scheinen die Engpässe um den Erie-See herum zu überlasteten Leitungen beigetragen zu haben, die am Anfang des Blackouts standen. Investitionen in das Leitungsnetz rentieren sich nicht für die Energieversorger.

Erst vor wenigen Wochen legte die US-Energieregulierungskommission (Ferc) einen Bericht vor, in dem das US-Elektrizitätssystem als „alternd, ineffizient, verstopft und nicht in der Lage, den künftigen Bedarf zu decken“, beschrieben wurde. Die Beratungsfirma ICF Consulting fordert eine Art Marshall-Plan für das Stromnetz. Investitionen von 30 bis 60 Milliarden Dollar seien in den nächsten zehn Jahren nötig.