Die süßeste Verführung, seit es Werbung gibt

Eine Ausstellung im Kölner Schokoladenmuseum zeigt Kakaodosen und Emailleschilder mit Bildern von Kindern. Sie dokumentieren, wie diese in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts in den Mittelpunkt der Werbung gerückt sind

Köln taz ■ Else Benjamin staunt nicht schlecht, als sie ihr Gesicht mit roten Bäckchen und blonden Löckchen auf dem Werbebild für Malz-Schokolade wiedererkennt. 70 Jahre ist es her, da die heute 73 Jahre alte Kölnerin für Schokolade der Firma Stollwerck Modell stand. Neben dem schwarz-weißen Werbefoto steht in Sütterlin-Schrift: „Den trinke ich gern jeden Tag.“ Das habe sich bis heute nicht geändert, sagt Benjamin und verweist auf ihren Körperumfang. „Ich liebe Schokolade.“

Wie sie Kindermodel geworden ist, weiß Else Benjamin heute nicht mehr, auch nicht, ob ihre Eltern dafür Geld bekommen haben. „Das ist mir auch egal“, sagt sie. Wahrscheinlich habe ihr Vater, Wilhelm Stassar, seine Finger im Spiel gehabt. Der war in den Zwanzigern ein bekannter Kölner Schauspieler und der Onkel von Willy Millowitsch.

Das Werbebildchen mit der pausbäckigen Kölnerin ist eines von hundert Exponaten des tschechischen Sammlers Stanislav Kramsky, die zur Zeit in einer Sonderausstellung im Kölner Schokoladenmuseum zu bewundern sind. Bilder von Kindern zieren Kakaodosen, Aluminiumpapiere, Emailleschilder und Pappaufsteller und dokumentieren, wie Kinder in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts in den Mittelpunkt der Werbung gerückt sind. Mit der Erfindung der Milchschokolade 1875 habe sich die Süßigkeit, die vormals wohlhabenden Kreisen vorbehalten gewesen sei, zum Kinderprodukt gewandelt, erzählt Museumsdirektorin Maria Mrachacz. „Milch war damals der Inbegriff der Kinderernährung“, so Mrachacz. Mit Bildern von wohlgenährten, fröhlichen und gesunden Kindern zielte die Werbung auf die Zielgruppe der Mütter als „Kaufentscheider“ ab.

Milch spielt bis heute für die Werbestrategie der Schokoladenhersteller vor allem als Calciumlieferant eine große Rolle. Werbeslogans wie „die Extra-Portion Milch“ oder „mit dem Besten aus der Milch“ sind bis heute nicht aus der Mode gekommen. Dabei habe Schokolade „ernährungsphysiologisch überhaupt keine Vorteile“, sagt die Ernährungswissenschaftlerin Ursula Tenberge-Weber von der Verbraucherzentrale NRW. 100 Gramm Kinderschokolade und ein Viertel Liter Milch hätten zwar den gleichen Calcium Anteil von 300 Milligramm. Schokolade brächte es aber auf einen Fettgehalt von 31 Gramm, wo hingegen Milch nur 8,8 Gramm Fett beinhalte. Das, so Tenberge-Weber, sei der Beweis: „Schokolade ist keine Alternative zur Milch.“

Das wissen auch Museumsdirektorin Maria Mrachacz und Else Benjamin. Wie sie auch wissen, dass man sich über die Auswüchse der heutigen Marketingstrategien mokieren kann. Dennoch bewundern beide die Exponate im Foyer des Museums, während sie sich ein Stück Stollwerck-Schokolade auf der Zunge zergehen lassen. Kirsten Pieper

„PlusMilchminusKakao – Kinder in der europäischen Schokoladenwerbung“, Imhoff-Stollwerck-Museum, Rheinauhafen 1a, Di bis Fr 10-18 Uhr, Sa und So 11-19 Uhr, Eintritt 6,00 (3,50) Euro