Gewinnende Schönheit

Die Vivaness 2009 wächst mit dem weltweiten Boom natürlicher und biologischer Kosmetikprodukte. Der Markt legt derzeit jährlich um 1 Milliarde US-Dollar zu

VON VERENA MÖRATH

Mit 20 Jahren ist die BioFach nicht nur volljährig, sondern auch reif. Gewachsen ist auch ihre Tochter Vivaness. Die Weltleitmesse für Naturkosmetik und Wellness präsentiert in diesem Jahr zum dritten Mal die boomende Branche für natürliche Schönheit und jubelt über ihren Erfolg. Im Vergleich zum vorigen Jahr verzeichnet die Vivaness 2009 mit 215 Ausstellern aus 23 Nationen ein Plus von 10 Prozent. Newcomer sind Swasiland, Mazedonien, Tschechien, Kolumbien und Brasilien. 2008 reisten schon 20 Prozent der über 46.000 Fachbesucher ausschließlich wegen der Vivaness nach Nürnberg. Laut einer Umfrage unter den Messebesuchern sagten 39 Prozent der Branche ein starkes Anziehen, 38 Prozent ein leichtes Anziehen voraus. Das Messeuniversum spiegelt im Kleinen wieder, was sich auf der großen internationalen Bühne für Naturkosmetik real abspielt.

Der Markt für natürliche und biologische Kosmetik legt derzeit jährlich um 1 Milliarde US-Dollar zu, sagt das Marktforschungsunternehmen Organic Monitor. Die dynamischen Absatzmärkte liegen in Europa, insbesondere in Frankreich, Großbritannien und Italien, aber auch die USA und Asien verzeichnen Umsatzzuwächse. In Deutschland griffen zwischen August 2007 und Juli 2008 18 Prozent der Verbraucher mindestens einmal zu kontrollierter Naturkosmetik. „Damit hat sich in den letzten zwei Jahren die Käuferreichweite um fast 40 Prozent vergrößert“, erklärt Frauke Scheffer von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Und auch Elfriede Dambacher, Branchenexpertin und Herausgeberin des „Naturkosmetik Branchenreports 2008“, sieht im Sektor Naturkosmetik den Motor des gesamten Kosmetikmarktes. Ihre Analyse ergab ein kontinuierliches Wachstum von jährlich über 10 Prozent in den vergangenen vier Jahren.

„ ‚Green Consuming‘ ist ein globaler und langfristiger Trend“, so Dambacher, „und erklärt sich durch einen allgemeinen Wertewandel in der Gesellschaft. Gefragt sind heute Produkte, die vergleichbar sein müssen mit herkömmlichen Kosmetikprodukten und darüber hinaus einen Mehrwert haben.“ Naturkosmetik mit Mehrwert heißt konkret: Sie ist natürlich, gesund, sozial verträglich und umweltschonend und passt zum „Lifestyle of Health and Sustainability“, abgekürzt Lohas. Für die Zielgruppe der Lohas gehören zum schicken Styling heute auch Fair Trade und Umweltschutz. Sonja Dambach, Pressesprecherin für Körperpflege bei Weleda, Schwäbisch Gmünd, geht davon aus, „dass die Lohas als Zielgruppe für Naturkosmetik in Zukunft eine immer größere Rolle spielen werden“.

Ob dekorative Naturkosmetik oder hochpreisige Anti-Aging-Cremes – die Produktpalette für natürliche Schönheit wird immer größer. Rund 4.000 Artikel zertifizierter Naturkosmetik stehen im deutschen Markt zur Verfügung. Mittlerweile kaufen Schönheitsfans ihre Kosmetik mit Mehrwert längst nicht nur in Naturkostgeschäften, Biosupermärkten und Reformhäusern, sondern ebenso in Kaufhäusern, Supermärkten und Drogeriemärkten oder im Internet ein. Ein neuer Trend ist, dass immer mehr Parfümerien Naturkosmetik anbieten.

Trotz enormer Umsatzzuwächse nimmt die Naturkosmetik hierzulande jedoch erst einen Anteil von rund 5 Prozent des Gesamtkosmetikmarkts ein, errechnete der Branchenreport 2008. Da ist noch viel Spielraum, die herkömmliche Kosmetik zu verdrängen und neue Nischen einzunehmen. „Die größte Konsumentengruppe bei Naturkosmetik bleiben mit einem Anteil von 80 Prozent Frauen ab 30 Jahren“, erläutert Expertin Elfriede Dambacher. „Teens und Twens orientieren sich stark an Markennamen und machen einen Bogen um Naturkosmetik.“ Männer sind zwar pflegebewusster geworden, spielen aber noch eine untergeordnete Rolle für die Branche. Wie schon im vorigen Jahr setzen die Hersteller von Naturkosmetik vor allem auf die so genannten Best-Agers, eine konsumfreudige, kaufkräftige und gesundheitsorientierte Käuferschicht, die für ihre tägliche Schönheitspflege viel Geld auszugeben bereit ist. Dafür ist dann in so mancher Anti-Aging-Creme neben anderen kostbaren Rohstoffen auch Goldstaub in der Rezeptur zu finden.

Aber es muss ja nicht immer Gold sein. Wichtig für Kunden ist es, nicht auf sogenanntes Greenwashing hereinzufallen. „Das sind Produkte, die behaupten, ‚grün‘ zu sein, aber keine echten Naturkosmetikprodukte sind, sondern nur ‚naturnahe‘ “, erklärt Dambacher. Aber der Markt ist für Kunden schwer zu durchschauen. Die europäische Naturkosmetik-Interessengemeinschaft NaTrue aus Brüssel beispielsweise stellte im Frühsommer 2008 ein Label mit drei Qualitätsstufen sowie dazugehörige Richtlinien vor. Die höchste Stufe, „Bio-Kosmetik“ garantiert Produkte, deren pflanzliche Ingredienzien zu 95 Prozent aus Bioanbau oder zertifizierter Wildsammlung stammen. Der mittlere Level, „Naturkosmetik mit Bio-Anteil“, steht für 70 Prozent Pflanzeninhaltsstoffe in Bioqualität. Für die einfache „Naturkosmetik“ sollen so weit wie möglich Biozutaten verwendet werden.

Mittlerweile haben auch die sieben wichtigsten europäischen Labelgeber für Naturkosmetik – darunter auch der BDIH (Bundesverband Deutscher Industrie- und Handelsunternehmen) aus Deutschland – nach sechsjährigen Verhandlungen einen europäischen Mindeststandard für Naturkosmetik beschlossen. Dennoch wird es nicht plötzlich übersichtlich für Kunden. Denn es sind immer noch nationale Unterschiede möglich, und ein gemeinsames europäisches Label ist nicht in Planung.

Davon lässt sich die Fachbranche auf der Vivaness nicht beeindrucken. Die quirlige Tochter der BioFach „hat sich als kommunikative Plattform für die Naturkosmetikbranche etabliert“, meint Elfriede Dambacher. Mittlerweile orientiere sich hier die gesamte Kosmetikbranche über die wichtigsten Trends und Entwicklungen in der Naturkosmetik. Und entdeckt dabei auch eine einmalige Produktlinie wie „Swasi Secrets“ aus Swasiland, die alle wichtigen Bedingungen einer politisch korrekten Schönheitspflege in sich vereinigt: Hautcremes, Seifen und Massageöl werden aus Marula-Öl hergestellt, das Swasifrauen einer Dorfkooperative aus den Steinfrüchten des Marula-Baums extrahieren. Die gesamte Produktion liegt in der Hand der Frauengemeinschaft, und nur ihnen kommt der Verkaufserlös zugute. Das Verkaufsmotto von „Swasi Secret“ – „rein, einfach, natürlich!“ – spricht der Naturkosmetikbranche aus der Seele.

www.kontrollierte-naturkosmetik.de