Kein Kopftuchverbot in der Parfüm-Abteilung

Das Bundesverfassungsgericht weist die Klage eines Kaufhauses ab: Es hat eine Verkäuferin zu Unrecht entlassen

FREIBURG taz ■ Ein Privatunternehmen darf einer muslimischen Mitarbeiterin, die Kopftuch trägt, nur dann kündigen, wenn das Unternehmen einen konkreten Nachteil belegen kann. Diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom letzten Oktober hat nun das Bundesverfassungsgericht bestätigt. Grundrechte des Unternehmens seien nicht verletzt worden. Eine Vorentscheidung für den Streit um das Kopftuch bei Lehrerinnen ist darin allerdings nicht zu sehen.

Konkret ging es um einen Fall in der hessischen Kleinstadt Schlüchtern. Die Verkäuferin Fadime C. arbeitete schon seit zehn Jahren beim Kaufhaus Langer, meist in der Parfümerieabteilung. Nach einem Erziehungsurlaub für ihr zweites Kind wollte sie nur noch mit Kopftuch zum Dienst erscheinen. Ihre religiöse Einstellung habe sich geändert. Daraufhin wurde der jungen Frau sofort gekündigt. Eine Verkäuferin mit Kopftuch werde im ländlich-konservativ geprägten Schlüchtern nicht akzeptiert, hieß es zur Begründung, es drohten Umsatzeinbußen. Wer aus religiösen Gründen nicht in der Lage sei, die im Kaufhaus vorgeschriebene „unauffällige Kleidung“ zu tragen, müsse nicht weiterbeschäftigt werden.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt hob die Kündigung im vorigen Jahr allerdings wieder auf. Das Kaufhaus hatte weder eine betriebliche Störung noch konkrete wirtschaftliche Nachteile belegen können. Auch die Beschäftigung von C. in einer weniger exponierten Abteilung als beim Parfümverkauf wäre möglich gewesen.

Hiergegen legte das Kaufhaus Langer Verfassungsbeschwerde ein. Die BAG-Richter hätten sich „einseitig“ an den Interessen der Arbeitnehmerin orientiert. Doch Karlsruhe bestätigte nun die BAG-Entscheidung. Die Erfurter Richter hätten durchaus auch die Berufsfreiheit der Arbeitgeberin in Rechnung gestellt. Allerdings sei es sachgerecht, wenn eine Kopftuchträgerin nicht auf bloßen „Verdacht“ hin gekündigt werden kann und stattdessen eine „konkrete Gefahr“ von wirtschaftlichen Nachteilen verlangt werde.

Am 24. September will Karlsruhe über die Verfassungsbeschwerde der deutsch-afghanischen Lehrerin Fereshta Ludin entscheiden. Sie war in Baden-Württemberg nicht eingestellt worden, weil sie aus religiösen Gründen auch im Unterricht ein Kopftuch tragen wollte.

Mit dem gestrigen Beschluss ist allerdings noch keine Vorentscheidung über Ludins Klage gefallen. In der Schule geht es um ganz andere Fragen: die mögliche Verletzung der staatlichen Neutralitätspflicht und die Gefahr einer religiösen Beeinflussung der Kinder im Unterricht.

Außerdem werden am 24. September andere Richter entscheiden. Während der gestrige Beschluss von einer (mit drei Richtern besetzten) Kammer des Ersten Senats stammt, ist für das Ludin-Urteil der etwas konservativere Zweite Senat zuständig. Das Bangen geht also weiter – sowohl für Ludin als auch für die Kopftuchgegner. CHRISTIAN RATH