Mit Kraft und Konzentration

Prominente wie Madonna, Barbara Becker oder Uma Thurman haben Pilates bekannt gemacht. Das Training am Boden und mit speziellen Geräten soll den Körper in Form bringen und den Geist fit halten. Das erfordert viel Ausdauer und Disziplin

VON PIA M. SOMMER

Joseph Pilates würde sich vermutlich ein wenig ärgern, glaubt Anja Schuhmann. Der Erfinder des nach ihm benannten Körpertrainings habe nicht so gerne mit Frauen gearbeitet, erzählt die Pilates-Lehrerin aus Berlin-Wilmersdorf. Doch gerade Frauen schätzen seine Methode heute.

Ihren Anfang nahm die Pilates-Bewegung in New York, wohin sein Erfinder in den 1920er-Jahren ausgewandert war. Hier gründete der gebürtige Rheinländer 1926 sein erstes Trainingsstudio. Das avancierte schnell zum Geheimtipp bei Tänzerinnen und Schauspielern. Sie nutzen die Technik, um ihre Körper in Form zu halten und um nach Verletzungen wieder belastbar zu werden.

Doch Pilates soll nicht nur körperlich fit machen, sondern auch den Geist ansprechen. „Die Trainierenden müssen bei den Übungen viele Sachen gleichzeitig beachten“, erklärt Simone Hörster, Pilates-Lehrerin aus Berlin-Kreuzberg. Denn Pilates kombiniert Kraftübungen, Atemtechnik, Koordination und Stretching und macht daraus harmonische, fließende Bewegungsabläufe. Das korrekte Ausführen der Übungen erfordert eine so starke Konzentration, dass Alltagssorgen in den Hintergrund rücken können. Nach einer Pilates-Stunde fühlen sich viele Menschen daher entspannt.

Inzwischen sind mehr als 500 Übungen entstanden, die die Trainierenden am Boden ausführen oder mit Turngeräten, die Joseph Pilates speziell dafür entwickelt hat. Es erstaunt, aber: „Das Training auf der Matte kann sehr viel kraftaufwendiger sein als die Übungen an den Geräten“, betont Hörster.

Pilates ist ein Sport für den ganzen Körper, doch im Mittelpunkt steht der Bauch. Ziel des Trainings ist es, die Körpermitte– das sogenannte Powerhouse – zu kräftigen. Die Übenden stärken dazu die tiefliegenden Muskeln von Beckenboden, Bauch und Rücken. Davon profitiert die Wirbelsäule, und die Haltung verbessert sich. Der gesamte Körper richtet sich auf und erscheint größer und schlanker. „Die Muskeln werden lang und elegant“, pointiert Pilates-Trainerin Schuhmann.

Das gelingt zum Beispiel mit der „Jeansübung“. Dazu liegt der Mensch auf einer Matte und stellt sich vor, wie er sich in eine zu kleine Hose zwängt. Beim Ausatmen zieht er den Nabel samt Bauchdecke nach innen und hoch zur Wirbelsäule. Dann rasch den Reißverschluss schließen, den Knopf zumachen und die Spannung halten. So wird der Bauch flacher.

Pilates selbst versprach: „Du wirst dich nach zehn Stunden besser fühlen, nach zwanzig Stunden besser aussehen und nach dreißig Stunden wirst du einen komplett neuen Körper haben.“ Das klingt gut. „Ist aber zu einfach dargestellt“, urteilen Pilates-Lehrerinnen und dämpfen die Erwartungen. Pilates-Schüler bräuchten zunächst eine Weile, um sich mit der Methode vertraut zu machen. Danach gelte: Je öfter jemand trainiert, desto deutlicher zeigen sich Effekte. „Wer Pilates aus ästhetischen Gründen macht, um besser auszusehen, muss schon etwa eine Stunde am Tag investieren“, sagt Hörster.

Um sich besser zu fühlen, reicht aber schon eine Stunde Pilates pro Woche. Das ergab jedenfalls eine Untersuchung der Deutschen Sporthochschule Köln. Die Teilnehmerinnen empfanden sich im Verlauf der Studie als trainierter, beweglicher, gesünder und geistig fitter. Ein ähnliches Bild ergab eine Untersuchung an der Universität Wien, bei der eine Studentin für ihre Diplomarbeit die Wirkung der Technik analysierte. Dafür trainierten elf Pilates-Anfängerinnen zweimal wöchentlich, zweieinhalb Monate lang. Am Ende, nachdem sie 20 Stunden absolviert hatten, beschrieben die Frauen positive Veränderung: Fast alle bewerteten ihre Haltung als besser und fühlen sich körperlich wohler. Mehr als die Hälfte berichtete über weniger Rückenbeschwerden.

Pilates eignet sich für junge und alte Menschen. Das Training schone Muskeln und Gelenke, da es ohne schwere Gewichte auskomme und die Bewegungen bewusst langsam und harmonisch sind, urteilt die Allgemeine Ortskrankenkasse. Wer jedoch Probleme mit dem Rücken hat oder schwanger ist, sollte sich mit seinem Arzt beraten, ob Pilates geeignet ist.

Viele Krankenkassen bezuschussen die Teilnahme an Pilates-Kursen als Prävention. Ansonsten kostet eine Trainingsstunde in der Gruppe etwa 15 Euro und eine Einzelstunde um die 50 Euro.

Da die Bezeichnung Pilates-Trainer nicht geschützt ist, sollten Interessierte ein Angebot genau prüfen, bevor sie sich entscheiden. Versierte Trainerinnen können eine umfangreiche Ausbildung oder eine Lizenz des Deutschen Pilates-Verbandes vorweisen. Ob und welche Pilates-Geräte ein Lehrer einsetzt, ist sehr unterschiedlich. Zudem existieren mittlerweile einige Varianten der klassischen Technik. Daher am besten genau nachfragen und eine Probestunde vereinbaren.

Suche nach lizenzierten Trainern unter www.pilates-verband.de Buchtipp: Michaela Bimbi-Dresp, „Das große Pilates-Buch“, Verlag Gräfe & Unzer 2008, 176 Seiten, 19,90 Euro