berliner szenen Kaminer liest prima

Provinz im Kaffee Burger

Das Heimspiel Wladimir Kaminers ist natürlich komplett ausverkauft. Die Dame an der Kasse des Kaffee Burger zischt sogar schon ihre Freunde auf Russisch an, sie sollen draußen bleiben. Im Interesse meiner journalistischen Aufgabe verstoße ich gegen eine der großen Regeln des Nachtlebens: Ich drängele mich einfach an der Türsteherin vorbei. Das bleibt nicht ohne Folgen, sofort kommt ein großer Mann mit Glatze an: „Was ist denn das Problem?“. Ich sehe mich schon wieder auf der Torstraße stehen. Die Türsteherin raunzt den Mann an: „Du musst Türsteher machen, ich kann das nicht.“ – „Ich bin doch auch kein Türsteher.“ So streiten sich die zwei, und ich kann ungestört Richtung Bar verschwinden.

Herr Kaminer hat schon begonnen mit seiner Lesung und berichtet gerade vom Quittenschnaps in Weikersheim. Statt wie sonst übers multikulturelle Berlin schreibt er in seinem neuen Werk „Mein deutsches Dschungelbuch“ über Provinzkulturen, Reisen im Regionalexpress zu den Orten der verknoteten deuschen Identität zum Beispiel. Die überwiegend mittelalterliche Fangemeinde hat auf Bierbänken Platz genommen und quittiert Kaminers Aperçus mit Gelächter. Egal, ob es um den Gartenzwergkongress in Karl-Marx-Stadt oder um Himmalaja-Wochen in einem Hotel in Oldenburg geht, von Wladimir Kaminer lässt man sich gerne den Spiegel vorhalten. In Kaminers Geschichten von Lesereisen ins Hinterland wird selbst die Blumenstadt Erfurt zum exotischen Ziel, schließlich findet hier der Weimarer Salon statt. Nicht nur Wolf Wondratschek, selbst die Sonne sieht lächerlich aus in Erfurt. Am Ende singt Kaminer das Lied vom Geologen und gibt Frauen in Glitzertops Autogramme. DANIEL BOESE