Angst vor der Bahn AG

Railion soll schwedischen Güterverkehr übernehmen. Unternehmen und Gewerkschaften sind aber dagegen

STOCKHOLM taz ■ „Wir haben nichts gegen eine Privatisierung von Staatsunternehmen. Aber wir haben definitiv etwas dagegen, wenn ein staatliches Monopol durch ein anderes ersetzt wird.“ Das sagt Kjell Roos, der bei Ikea für das Transportwesen verantwortlich ist.

Der Möbelgigant gehört zu den zehn großen schwedischen Unternehmen, die mit einem gemeinsamen Schreiben an das Wirtschaftsministerium einen offenbar bereits vereinbarten Deal stoppen wollen: den Verkauf von Green Cargo, dem Güterverkehr der schwedischen Bahn SJ, an Railion, eine Tochter der Deutschen Bahn AG.

Der geplante Verkauf an ein deutsches Staatsunternehmen sorgt für viel Ärger. Denn die Deutsche Bahn hat bereits den größten Lastwagentransportkonzern Bilspedition übernommen. Und die Deutsche Post kaufte sich den Konkurrenten der Bilspedition. Mit Green Cargo würde also auch der letzte große schwedische Transportakteur unter deutsche Dominanz kommen.

Green Cargo stand bisher für fünf Sechstel des gesamten Schienengüterverkehrs in Schweden. Als das Parlament Mitte Juni dessen Privatisierung absegnete und damit die Bahn für den einzigen Interessenten, die Deutsche Bahn, freimachte, waren sich Gewerkschaften wie Wirtschaft ausnahmsweise in ihrer Kritik einig: Die Dominanz dieses deutschen Eigentümers im Güterverkehr auf Schiene wie Straße wird voraussichtlich das Ende für einen Großteil des schwedischen Schienengüterverkehrs bedeuten.

Für die Deutsche Bahn als neuem Monopolspieler auf schwedischer Straße wie Schiene öffnet sich die Möglichkeit, den Lkw- und Zugverkehr zu koordinieren. Was im Ergebnis mit Sicherheit auf die Stilllegung unrentabler Schienenverbindungen und eine Verlagerung des Verkehrs von der Schiene auf die Straße hinauslaufen dürfte. Anstatt Schwedens Schienengüterverkehr für eine Konkurrenz zu öffnen, führe der übereilte Verkauf des jetzigen Staatsmonopolisten an ein ausländisches Monopol zu einer Zementierung der jetzigen nicht vorhandenen Konkurrenzsituation, so die Kritik. Das werde dazu führen, dass der Schienenverkehr auf Kosten des Straßenverkehrs verlieren wird, bemängelt zum Beispiel Lars Hallsten, Transportexperte des schwedischen Arbeitgeberverbands Svenskt Näringsliv.

Die Kritiker verweisen auf das Beispiel Dänemark. Dort wurde die staatliche Güterbahn Anfang 2001 an Railion verkauft. Mit dem Ergebnis, dass binnen zweier Jahre 40 Prozent der Schienengütertransporte verschwunden und auf die Straße umgeleitet worden seien. Für die Schiene waren von 2,3 Millionen Tonnen (2000) im vergangen Jahr nur noch 1,4 Millionen übrig geblieben. In weitem Umfang waren Güter-Terminals geschlossen, Zugverbindungen stillgelegt und Personal entlassen worden.

Eine ähnliche Politik werde Railion in Schweden betreiben, befürchten die Gewerkschaften. Doch Schwedens sozialdemokratische Regierung gibt sich marktwirtschaftlich. Sie will nur profitable Unternehmen unter ihrem Dach haben. REINHARD WOLF