Viel Holz im Hafen

Steinbrügge und Berninghausen heißt ein traditionsreicher Betrieb am Ende des Holzhafens. Dank Gartenhäuschen hat der Betrieb die Krisen der Holzwirtschaft gemeistert. Und Dank des „Riesenvorteils“, einen Hafen zu haben. Inklusive des Rechts auf Lärm. Teil 2 der Serie „Betrieb im Hafen“

Berninghausen: „Keinen eigenen Hafen zu haben, würde uns den Kopf kosten“Ein jedes Brett wird am Bildschirm in Sekundenschnelle gescannt und auf Fehler überprüft

„Ein Brett ist ein Brett“, sagt knapp und illusionslos der Holzunternehmer Carl Berninghausen, „egal, wie Sie es verpacken“. Wer mit seinem Betrieb am Markt punkten will, der kann das nur über den Preis tun. Also geht es den Holzhändlern darum, die Nebenkosten so klein wie möglich zu halten – und das sind in dieser Branche neben den Kosten für die Arbeitskräfte vor allem die für den Transport.

Seit mehr als hundert Jahren sitzt die Firma Steinbrügge und Berninghausen an der Südseite des Holz- und Fabrikenhafens. Zwischen Roland-Mühle und Kunsthochschule säumen kleine, spießige Gartenhäuser, riesige, dunkle Lagerhallen und blaue, freundliche Fertighäuser – natürlich alles aus Holz – die Straße. In einem kleinen Verwaltungsgebäude am Ende dieser Straße residiert Carl Berninghausen, 48 Jahre alt. In vierter Generation leitet er die Geschicke von Steinbrügge und Berninghausen. „Wenn wir den Hafen nicht hätten und unser Holz statt mit billigen Schiffen mit teuren LKW und Waggons bekommen würden, dann hätten wir einen Wettbewerbsnachteil, der uns den Kopf kosten könnte“, so Berninghausen.

Bis zu 21 Fuß Tiefgang können die Schiffe haben, die das Fichtenholz aus Skandinavien oder dem Baltikum abliefern – pro Schiff 2.000 bis 4.000 Kubikmeter. „Damit kommen wir dann zwei bis drei Wochen hin, bis das nächste Schiff landet“.

Neben einem Hobelwerk, in dem aus den sägerauen Holzblöcken fein geschliffene Nut- und Federbretter werden, hat die Firmentochter Karibu mittlerweile einen großen Anteil am Geschäft. Bis zu 400 Gartenhäuser und Holzsaunen werden dort täglich produziert. „Bei den kleineren Gartenhäusern sind wir inzwischen Marktführer“, so stolz der Unternehmer Berninghausen.

Und das hat die Firma vor wenigen Jahren gerettet: Die Herkunftsländer der Fichten verarbeiten ihr Holz mittlerweile lieber selber zu Brettern und überlassen dieses Geschäft nur noch ungern reinen Veredelungsbetrieben wie Berninghausen. Außerdem ist der Markt für die so genannten ’sichtbaren Anwendungen’, also Holzdecken und Wandvertäfelungen zusammengebrochen. Zwei Entwicklungen, durch die die ganze Branche und so auch das traditionsreiche Unternehmen Steinbrügge und Berninghausen in den 90ern ins Trudeln geriet. Der Ausweg hieß: nicht bloß Bretter verkaufen, sondern selber produzieren. Etwas draus machen, was im Trend liegt. „Mit den Gartenhäusern schaffen wir den Mehrwert durch die Verarbeitung, und da können wir hier im Design und in der Verarbeitung viel mehr Qualität bieten als die Massenartikel aus dem Ausland.“ Hobelwerk und Lackierstraße existieren aber weiterhin und werden von der mit der Berninghausen Holding eng verbundenen Holzwerke GmbH betrieben.

Und zwar hoch technologisch. Gemeinsam mit der STN Atlas-Elektronik haben die Firmen-Ingenieure eine computergesteuerte Hobel- und Kontrollstraße entwickelt, bei der ein jedes Brett in Sekundenschnelle gescannt und auf Fehler überprüft wird. Auf einem kleinen Bildschirm in der riesigen hölzernen Halle tauchen sodann grüne und weiße Kästchen auf, weiße und schwarze Ringe, rote und gelbe Punkte. Sie bezeichnen und markieren millimetergenau Harzeinschlüsse, Astlöcher, Bruchstellen an der Nut- oder Federkante und andere Mängel. Entsprechend werden die Bretter nach Qualitäten sortiert und verlassen als gebündelte Partien die Halle. Menschliche Arbeitskraft wird hier nur noch zum Überwachen der Maschinen und auf den Gabelstaplern gebraucht, die surrend durch die Hallen fahren.

Dass trotzdem 120 Menschen auf dem Gelände von Steinbrügge und Berninghausen arbeiten, hat nun wiederum mit den Gartenhäusern zu tun. Hier arbeiten Schreiner, Ingenieure und ‚Holzverarbeitungsmechaniker‘. Maschinen schneiden die Teile der Saunen und Lauben passgenau zu. Die Kontrolle übernimmt auch hier der Mensch. „Und außerdem erarbeiten wir hier kontinuierlich neue Produkte“, so Berninghausen, der sich selbst als „Bastler“ bezeichnet und seinen vier Kindern ein Gartenhaus hoch oben in den Bäumen gezimmert hat.

Dezentralisierung und Innovation, so würde mit zwei Schlagworten der Unternehmer Berninghausen die Strategie umreißen, mit der er seinen Betrieb am Laufen hält und Klippen umschifft, an denen andere Holzhändler der Bundesrepublik zerschellt sind. Dazu zählt die Konstruktion immer neuer Lauben, dazu zählt die Erfindung der „McSauna“, einer erschwinglichen Infrarot-Sauna, „die sie in jedes Badezimmer stellen können“, dazu zählt aber auch die Zusammenarbeit mit der Bundesforschungsanstalt für Holzwirtschaft im Hamburg. Auf Berninghausens Rechnung entwickeln Studierende dort zurzeit eine Alternative zur wenig umweltfreundlichen Kesseldruck-Imprägnierung der Hölzer.

Wie auch die Roland-Mühle auf der gegenüberliegenden Seite der Kaje nutzt die Holzfirma Berninghausen den Hafen nicht bloß als maschinengesteuerten Warenumschlagsplatz, sondern eben auch zur Produktion. Das bedeutet einerseits mehr Arbeitsplätze, andererseits aber auch mehr Nebenerscheinungen wie Lärm und Geruch. Im Fall Berninghausen, dessen Hobelwerke Tag und Nacht arbeiten, heißt das Problem Luft. Entlüftung besser gesagt. „Wir bewegen hier am Tag pro Stunde 180.000 Kubikmeter Luft – weil wir nur so die Luft frei von Holzstaub kriegen“.

Für seinen Betrieb wäre allein schon die Umwandlung des Hafengebietes von einem Industriegebiet in ein Gewerbebetrieb ein Schlag ins Kontor – denn dann müsste wenigstens während der Nacht Ruhe herrschen. Die Debatte um eine Urbanisierung und insbesondere eine Wohnnutzung der Hafenreviere ist für ihn also durchaus sensibel. Dagegen sind ihm neue Nachbarn wie die Kunsthochschule im Speicher XI, mit der er „gerne ein paar Projekte machen möchte“, hochwillkommen. Und auch sonst hängt der Bremer ganz offenkundig an seiner Heimatstadt: „Ich komme normalerweise mit dem Fahrrad zur Arbeit und meine Leute auch, wo haben sie das schon?“, sagt er und erwähnt, dass er trotz unsicherer Perspektive in den vergangenen Jahren mehr im Bremer Holzhafen als in seinem zweiten Werk bei Berlin investiert habe. Erweiterungspläne stehen zudem für die Zukunft an. „Ich mag diese Stadt und wir brauchen den Hafen“, fasst er seine Situation zusammen. Auch wenn ein Brett am Ende nur ein Brett ist.

Elke Heyduck