Leas dir eine Kuh in der Schweiz

Aus Liebe zur Natur, den Bergen und dem Rindvieh leihen sich Firmen und Städter eine Kuh mit Zertifikat

taz: Herr Wyler, ich habe die Erika in Ihrer Internet-Bildergalerie gesehen und mich Hals über Kopf in sie verguckt. Sie hat so hübsche braune Flecken und so treue Augen. Kann ich sie für diesen Sommer noch leasen?

Paul Wyler: Nein, sie ist nicht mehr frei. Im Moment sind alle Kühe verpachtet.

Auch die rassige schwarzfleckige Dollita mit der Ohrenmarkennummer 233?

Sie ist wie letztes Jahr von einer Werbeagentur geleast worden. Die macht schwarz-weiße Autobeschriftungen und braucht die schwarz-weiße Dollita dafür.

Wenn das so weitergeht, müssen Sie noch ein paar Dutzend Rindviecher anschaffen.

Im letzten Sommer hatten wir nur unsere eigenen Kühe, zweiundzwanzig Stück, auf der Alm Tschingelfeld verleast. In diesem Jahr sind es schon 103 Stück von insgesamt acht verschiedenen Betrieben. Wir aktivieren ständig neue Almen und Bauern, damit wir noch mehr Kühe abgeben können.

Wodurch ist Ihr Kuhleasing so populär geworden?

Das Fernsehen und die Presse sind im letzten Jahr hellhörig geworden. Tele Züri und Tele Bärn haben dafür gesorgt, dass jetzt die Nachfrage so groß ist. Auch RTL hat Aufnahmen gemacht.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ihre Kühe zum Leasen anzubieten?

Wir haben das schon vor 30 Jahren gemacht. Nur haben wir früher die Kühe an Kollegen und Restaurants verpachtet und nicht verleast.

Können Sie mit ihrer kuhriosen Idee denn geschäftlich absahnen?

Nein, wir wollen den Bauern in der Region helfen, den Absatz ihres Käses zu fördern. Außerdem wollen wir die Landwirtschaft der Stadtbevölkerung näher bringen und zeigen, wie lange es braucht, bis ein Kilo Käse produziert ist.

Was kostet der Spaß, eine Kuh für eine Sommersaison zu pachten?

Die Leasinggebühr beträgt 380 Franken. Der Kunde kann auswählen, wie viel Käse er von seiner Kuh möchte, das Kilo kostet aber 16 Franken zusätzlich. Jeder Leaser muss vier Stunden auf der Alm arbeiten, die Weiden von Steinen und Unkraut säubern und die Zügelwege (unmotorisierte Wege) unterhalten.

Und was bekomme ich für die Kuhpacht an Gegenleistung?

Ein Zertifikat mit einem Farbfoto und allen Angaben zur Kuh. Sie können die Kuh auf der Alm besuchen und bekommen eine Verpflegung. Aber unser Senn versorgt die Kuh, melkt sie morgens und abends und macht den Käse.

Woher stammen denn die Kuh-Interessenten?

Das sind Leute aus den Städten, zu 80 Prozent Firmen. Wir haben Swisskom, die drei bis vier Kühe hat und einen Event draus macht, wir haben Migros (die große Schweizer Einzelhandelskette), Architekturbüros. Die Firmen geben ihren Käse gern im Herbst als Kundengeschenk ab. Wir verschicken den Käse auch als Geburtstags- und Hochzeitsgeschenk.

Profitiert auch die Region touristisch vom Kuh-Leasing-Boom?

Wir vermitteln Gruppen, die zwei Tage oder ein Wochenende hier in der Alpenregion Brienz-Meiringen verbringen wollen. Sie können ihre Kühe besuchen.

INTERVIEW: GÜNTER ERMLICH