Ein Kobold, der sich selbst schon immer glich

Ein Münchner Gericht hat jetzt festgestellt: Es kann nur einen Pumuckl geben – aber dafür hat er gleich zwei Mütter

„Kleiner Kerl, rote Haare und große Hände, um die Nagelkisten runterzuwerfen.“ Das waren laut Barbara von Johnson die einzigen Vorgaben, als 1965 ein Wettbewerb ausgeschrieben wurde, bei dem die Figur des Pumuckl erstmals gezeichnet werden sollte. Denn bis dahin waren die Abenteuer des kleinen Kobolds nur im Radioprogramm des Bayerischen Rundfunks zu hören gewesen. Erfunden hatte ihn die Kinderbuch-Autorin Ellis Kaut.

Den Zeichenwettbewerb aber gewann die damals 21-jährige Barbara von Johnson, Studentin an der Münchner Akademie für das Grafische Gewerbe. Unter ihrer Feder nahm Pumuckl erstmals jene Gestalt an, die seitdem in unzähligen Büchern, auf Schallplatten- und Kassettenhüllen sowie in diversen Fernsehfolgen durch deutsche Kinderzimmer klabautert.

Mit wilder roter Mähne, frechem Gesicht, gelber Jacke, grüner Hose und nackten Füßen brachte der liebenswerte Kobold fortan reichlich Chaos in das Leben von Meister Eder und dessen wohlgeordneter Werkstatt. Ab 1982 – als der erste Pumuckl-Kinofilm auf die Leinwände kam – zeichnete allerdings Brian Bagnall, der Schwiegersohn von Ellis Kaut, die Figur weiter.

Hierdurch jedoch veränderte sich Pumuckl weder in seinem Charakter noch in seinen äußerlichen Merkmalen wesentlich. Der ballrunde Kopf blieb ihm ebenso erhalten wie die übergroßen Hände und Füße oder die abstehenden Ohren. Nur aufmerksame Fans mit einem Auge für grafische Persönlichkeiten bemerkten die Unterschiede zwischen von Johnsons und Bagnalls Figur.

Der neue Kobold ist ganz der alte, befand jetzt auch das Oberlandesgericht München. Denn das musste darüber entscheiden, ob es eigentlich zwei Pumuckls gibt oder ob der leicht verzogene Feuerkopf nicht eher zwei Mütter hat. Vor zwei Jahren gerieten sich die Zeichnerin Barbara von Johnson und die Autorin Ellis Kaut in die Haare. Von Johnson forderte, dass sie bei jeder Verbreitung von Pumuckl-Illustrationen als Urheberin genannt und zudem an Honoraren und Werbeeinnahmen beteiligt werden sollte. Anlass war vor allem die Vermarktung des Kobolds im Internet, die in einem 1982 zwischen Johnson und Kaut geschlossenen Vertrag noch nicht berücksichtigt werden konnte. Kaut und Zweitzeichner Bagnall argumentierten, dass ihr Kobold eine eigenständige Figur sei.

Gestern Mittag aber verkündeten die Münchner Richter: Es kann nur einen Pumuckl geben! Juristisch betrachtet handle es sich bei den Zeichnungen von Brian Bagnall bei um „eine unfreie Bearbeitung des Ur-Pumuckl und nicht um ein davon losgelöstes eigenständiges Werk“. Durch dieses Urteil muss Barbara von Johnson nun stets als Urheberin genannt werden. Mit der zu ProSieben gehörenden Vermarktungsfirma München-Merchandising hatte sich die Zeichnerin zuvor bereits auf einen außergerichtlichen Vergleich über ihr zustehende Werbeerlöse geeinigt.

Irgendwo in einer Hinterhofwerkstatt im Münchner Stadtteil Lehel, so war zu hören, soll gestern ein kleiner Kobold verwundert seinen ballrunden Kopf mit der wilden roten Mähne geschüttelt haben. Dabei murmelte er angeblich mit seiner Kinderstimme: „Ist doch klar, dass es mich nur einmal gibt. Zwei von meiner Sorte hätte selbst Meister Eder nie überlebt.“

JÖRG SCHALLENBERG