„Clement hat sich isoliert“

Weg frei für regenerative Energie: Hermann Scheer, SPD-Fraktionär, Solarlobbyist und Träger des alternativen Nobelpreises, erklärt, warum sozialdemokratische Energiepolitik eine andere ist als jene, die der Bundeswirtschaftsminister propagiert

Interview NICK REIMER

taz: Herr Scheer, die SPD hat sich auf ihrer Fraktionsklausur auch mit der Energiepolitik befasst. Mit welchem Ergebnis?

Hermann Scheer: Es war keine Abstimmung vorgesehen, sondern lediglich eine Diskussion. Deshalb gab es kein formalisiertes Ergebnis. Das Meinungsbild war aber überwältigend: Die SPD-Fraktion wird auch mit einem Wirtschaftsminister Wolfgang Clement nicht zum Bremser des Erneuerbaren Energien-Gesetzes – eines Gesetzes, das genauso ihr Produkt ist wie das der Grünen. Die Priorität muss bei erneuerbaren Energien liegen, deshalb werden wir das EEG weiter ausbauen.

Drei Wochen lang hat der SPD-Wirtschaftsminister aber ganz anders gesprochen.

Darüber gab es sehr viel Zorn in der Fraktion, und der hat sich am Mittwoch mit der entsprechenden Adresse entladen.

Ist Clement angeschlagen?

Er hat sich mit seiner Position isoliert. Die Fraktion hat ihm klar gemacht, dass er mit seiner kolportierten Energiepolitik nicht durchkommt. Ob er angeschlagen ist, hängt davon ab, ob er das Fraktionsvotum akzepiert.

Die Berliner Zeitung zitierte gestern ein Grundsatzpapier aus dem Hause Clement: Wenn das EEG so kommt, wie es Bundesumweltminister Jürgen Trittin und die SPD-Fraktion bislang geplant haben, stünden Deutschland Strukturverwerfungen wie nach der Wiedervereinigung bevor.

Das ist eine Tatarenmeldung: abenteuerlich und falsch.

Macht Clement weiter Politik gegen die Fraktion?

Die Gesetzgebung wird im Parlament gemacht, da hat die Fraktion das Sagen. Clement suggeriert ein falsches Bild: Die SPD will eine andere Energiepolitik als ihr Wirtschaftsminister.

Das heißt: Energiepolitik macht in der SPD die Fraktion?

Das war so. Und das bleibt so.

Die bündnisgrüne Energiepolitikerin Michaele Hustedt hat Clement gestern zum „besten Stichwortgeber der Opposition“ gekürt. Hat sie Recht?

Auf jeden Fall erfahren alle Argumente, die von den Oppositionsparteien kommen, durch Clement eine Geräuschverstärkung – obwohl sie vielfach widerlegt sind.

Grundlage der Energie-Agenda 2010, die die Fraktion Ende September beschließen will, sind Vorschläge des Energiepolitikers Rolf Hempelmann und des Umweltpolitikers Michael Müller. Sie sehen noch Spielräume im EEG-Entwurf, fordern, die Förderung müsse effizienter werden.

Das Effizienzanliegen ist von Anfang an Bestandteil des EEG. Nur aus diesem Grund wird das Gesetz jetzt überarbeitet. Alle drei bis vier Jahre sieht das EEG eine Neujustierung der Tarife vor, die den aktuellen Stand der Technik berücksichtigt. Optimierung bedeutet nicht überall Senkung der Tarife. Es gibt Bereiche, wo eine Tariferhöhung sinnvoll ist.

Zum Beispiel?

Bei der Photovoltaik – um ein Äquivalent zum 100.000-Dächer-Programm zu schaffen, das im Sommer ausgelaufen ist. Oder auch bei der Bioenergie. Es ist Konsens in der Fraktion und auch mit den Grünen, dass dort nachgebessert werden muss.

Sie sind also zufrieden mit dem Trittin’schen Gesetzentwurf?

Mit Abstrichen. Anders als der Bundesumweltminister halte ich den faktischen Ausschluss der kleinen Wasserkraft für nicht tragbar. Ich halte das sogar für verfassungswidrig, weil dieser Ansatz das Gleichheitsprinzip verletzt.

Neben dem EEG stehen im Herbst noch mehr energiepolitische Gesetzesvorhaben an. Wie oft wird sich die Fraktion noch über ihren Bundeswirtschaftsminister ärgern?

Es gibt auch Übereinstimmungen, etwa zu dem Ansatz, die Regulierung des Energiemarktes bei der bestehenden Regulierungsbehörde für Telekommunikation anzusiedeln.

Bleiben immer noch das Energiewirtschaftsgesetz und die Steinkohlebeihilfen.

Beim Energiewirtschaftsgesetz gibt es noch keinen Entwurf. Und die Kohlesubventionen behandeln lediglich ein regionalwirtschaftliches Problem: Wie schnell schafft man einen zügigen Übergang zu zukunftsfähigen Energietechnologien.

Trauen Sie Clement zu, dass er den Job des Weichenstellers übernimmt?

Sein Problem ist, dass er viel zu unkritisch die Argumentationen der großen deutschen Energiekonzerne übernimmt, vor allem bezüglich absolut fadenscheiniger Kampagnenargumenten gegen das Erneuerbare Energien-Gesetz. Diese Argumente werden nicht besser, wenn sie auch vom Wirtschaftsminister verbreitet werden.