nebensachen aus manila
: Eine Geschichtsstunde mit Imelda

Nur Schuhe statt Leichen in den verlassenen Schränken

Für extravagante, eitle und geldgierige Menschen gibt es in den Philippinen das Schimpfwort „Imeldific“. Namensgeberin ist die Frau mit den tausend Schuhen, Imelda Marcos – berühmt-berüchtigte Witwe von Exdiktator Ferdinand Marcos, der mehr als 20 Jahre lang das Land mit eiserner Hand regierte.

Bescheiden ist die 74-Jährige auch heute noch nicht. Mit teuren Riesenperlen geschmückt ist sie gekommen, um in Manila Mitgliedern eines internationalen Geschichtsvereins ihre Version der Marcos-Ära zu erzählen. Mit dramatischer Stimme und theatralischen Gesten erzählt Imelda Marcos wie aus ihr, dem armen Provinzmädchen, eine gewiefte Präsidentengattin wurde, die sich nicht nur als „Mutter der Nation“ fühlte, sondern mit Charme und Schönheit Mächtige vom Schlage eines Leonid Breschnew oder Muammar al-Gaddafi um den Finger wickelte. Der Großteil ihrer Rede ist pure Geschichtsklitterung und entsprechend beschreibt sie, welche Wohltaten sie den Philippinen durch ihr kulturelles, soziales und diplomatisches Engagement angedeihen ließ.

Zwar waren die Philippinen unter Marcos dank Auslandskrediten tatsächlich eine Zeit lang so wohlhabend wie nie mehr danach. Doch das Land wurde immer mehr zum Selbstbedienungsladen für Marcos und seine Spießgesellen. Mehrere Milliarden Dollar soll Marcos auf Schweizer Konten deponiert haben. 1975 wurde Imelda zu einer der reichsten Frauen der Welt erklärt. Vehement bestreitet sie, illegal Vermögen erworben zu haben. Ferdinand sei schon vor ihrer Hochzeit reich gewesen.

Zum Vorwurf schwerer Menschenrechtsverletzungen entgegnet sie: „Wir steckten nur Kommunisten ins Gefängnis – nicht weil sie gegen Marcos waren, sondern weil sie eine rechtmäßig gewählte Regierung stürzen wollten.“ Und die Vetternwirtschaft? „Alles Unsinn. Marcos war ein Einzelgänger, er hatte gar keine Freunde. Selbst mir hat er nicht alles gesagt – ich hätte es vielleicht ausgeplaudert.“

1986 endete der Traum. Corazón Aquino, Witwe des ermordeten Marcos-Gegners Benigno Aquino, kam durch die „People Power“-Bewegung an die Macht. Der Marcos-Clan floh nach Hawaii. Seit Marcos' Tod 1989 wurde Imelda von vielen als die eigentlich treibende, böse Kraft hinter ihrem Mann gesehen. „Wir leben seit Jahrhunderten in einer Machogesellschaft. Frauen haben immer einen schlechteren Ruf als ihre Ehemänner“, erzählt sie voll Selbstmitleid.

1991 durfte Imelda Marcos in die Philippinen zurückkehren. Sie kandidierte sogleich für die Präsidentschaft. Nicht Streben nach Macht sei ihr Motiv gewesen, behauptet sie, sondern sie wollte lediglich verhindern, wegen einer Anklage auf Veruntreuung öffentlicher Gelder veruteilt zu werden. Sie verlor die Wahl, später vertrat sie ihre Heimatprovinz im Parlament.

Und was macht sie heute? Trotz mehrerer Prozesse ist sie nie wirklich bestraft worden. Sie lebt in einem Luxusapartment in Manilas Geschäftsviertel Makati und kann bisweilen beim Shoppen in teuren Geschäften oder beim Speisen in Nobelrestaurants angetroffen werden. Der Großteil der katholischen Philippinen scheint sich im christlichen Vergeben und Vergessen zu üben. Die Politik überlässt sie inzwischen ihren Kindern, sie selbst engagiert sich in Stiftungen. Auch ein autobiografisches, pseudophilosophisches Buch hat sie geschrieben – „Die Kreise des Lebens“.

Bleibt die Frage, woran sich die Nachwelt an sie erinnern soll. „Hoffentlich nicht die Schuhe!“, ruft sie. „Dabei sind sie eigentlich ein Symbol für meine Integrität. Als sie nach unserer Flucht meine Schränke durchsuchten, fanden sie dort schließlich keine Leichen – nur Schuhe!“

CLAUDIA BLUME