Nach dem Abgang von Raubritter Barnabas

Noch unterscheidet sich die Schillpartei von anderen Protestparteien. Aber sie kann zum Problem für die Union werden

BERLIN taz ■ „Bisher ist Herr Schill ein Raubritter auf dem Wählermarkt. Ich bezweifle aber, dass er sich dort eine Burg aufbauen kann“, hatte der Parteiforscher Ulrich von Alemann 2001 gesagt. Damals stellte die Schillpartei bereits drei Hamburger Senatoren. Auch heute tut sie dies noch – obwohl der Parteifürst letzte Woche gestürzt wurde. Insofern hat Alemann nicht ganz Recht behalten. Schill ist zwar kein Burgherr geworden. Aber seine Partei hat sich vorerst auch ohne ihn in der Burg einrichten können.

Diese Geschlossenheit unter Abwesenheit eines Führers ist eher untypisch für Protestparteien. Mit Besorgnis etwa verfolgte die Öffentlichkeit 1998 den Einzug der Deutschen Volksunion (DVU) in den sachsen-anhaltinischen Landtag. Einen bunten rechtspopulistischen Frey-Korps (Spiegel) hatte der Müncher Verleger und Parteichef Gerhard Frey damals erfolgreich ins Rennen geschickt. Später zerlegte sich die fachlich inkompetente Fraktion. Zur Wahl im April 2002 trat die DVU nicht mehr an.

Schills Partei unterscheidet sich bisher von anderen Protestgruppierungen. So hatte sie kaum Personalprobleme. Nach einer Kultursenatorin musste zwar monatelang gefahndet werden. Aber dieses Problem ist nicht allein der Schillpartei zuzurechnen, hatte man sich doch mit der CDU geeinigt, den Posten einvernehmlich zu besetzen.

Was Schill letztlich zu Fall brachte, war sein eher krawallorientierter als rechtspopulistischer Autismus. Er war immer gut für Schlagzeilen – etwa bei seinem Auftritt im Bundestag, wo er statt über die Flut über Flüchtlingspolitik redete. Oder mit seiner Forderung, das russisches Narkosegas, das im Moskauer Musicaltheater Nordost verwendet worden war, auch in Deutschland einzusetzen.

Anders als Frey schaffte er es aber nicht, sich zur unanfechtbaren Führungsfigur zu entwickeln. Nach Schills Auftritt im Büro Ole von Beusts rückte auch der Bundesvorsitzende Mario Mettbach endgültig von ihm ab. Bis dahin hatte dieser als Schills Vertrauter gegolten. Auch hatte die Partei ihren Bundestagswahlkampf gegen Schills Votum beschlossen. Der Raubritter stürzte somit auch deshalb, weil seine Gefolgschaft sich schon vorher von ihm emanzipiert hatte.

Die Partei wird trotzdem wenig Nutzen aus dem Abgang ihres Führers ziehen können. Sie ist nur mehr ein Anhängsel der Koalition. Und: „Selbst wenn die Partei sich über die Regierungszeit rettet, wird sie daran scheitern, als Protestpartei Regierungsverantwortung übernehmen zu müssen“, sagt der Bonner Parteiforscher Frank Decker. Langfristig schade dies dem gesamten konservativen Lager. Denn Schill habe es geschafft, das Wählerpotenzial der rechten Splitterparteien zu homogenisieren und ins Parlament zu holen. Wenn dieses Lager bei der nächsten Wahl wieder in mehrere Parteien zerfiele, die die Fünfprozenthürde nicht schafften, dann würden genau diese Stimmen der CDU fehlen.

MATTHIAS BRAUN