„Ich bin in der Debatte ein Außenseiter“

Die Lager- und Speditionsfirma Vollers besetzt in der Überseestadt immerhin 150.000 Quadratmeter Lagerfläche. „Wir könnten auch woanders sein“, sagt der Chef Lüder Vollers. Sein Vater Berthold gründete vor gut siebzig Jahren den Betrieb. Im „Zentrum des Denkens“ steht die Lagerwirtschaft

Blaugelb auf hohen Silos und auf flachen Schuppen. Blaugelb auf Lastwagen, im Treppenhaus und auf den Laderampen. Blaugelb ist schließlich auch die Krawatte von Lüder Vollers, 65. „Zweieinhalb Jahre will ich noch machen“, sagt der rüstige Unternehmer, „dann ist mein Sohn dran“. Auch Lüder Vollers ist mal als Sohn dran gewesen. Sein Vater Berthold hat die Firma 1932 als Lager für Kaffee und Kakao gegründet. Da kamen die edlen Bohnen noch mit dem Schiff bis in den Europahafen. Heute agiert die Firmengruppe in sieben Städten von Amsterdam bis Riga und Taschkent. Zu Kaffee und Kakao kamen im Lauf der Jahre Baumwolle, Tabak, Metalle und anderes Stückgut, das der „Warehousekeeper“ Vollers für seine Kundschaft lagert.

Das Stammhaus der Firmengruppe mit 150.000 Quadratmetern Lagerfläche – verteilt auf diverse Speicher und Schuppen – ist nach wie vor in Bremen. Weithin sichtbar ist das gelbe „V“ auf blauem Grund, wenn man vom Hansator in die Überseestadt fährt. Die Zeiten aber, in denen die Güter mit dem Schiff im Europahafen ankamen, sind nahezu passé. 40 Lkw erledigen heute das Transportwesen der Spedition Vollers. „Aber das ist ohnehin nicht der wesentliche Geschäftsbereich. Die Hauptsache ist das Lagergeschäft, das ist das Zentrum des Denkens. Der Kakao kann hier zehn Jahre liegen und hat in dieser Zeit an der Börse 300-mal den Besitzer gewechselt“, erklärt Lüder Vollers. Nicht nur, dass die Ware selbst eine immer untergeordnetere Rolle spielt, auch sonst ist der Betrieb um einiges unsinnlicher geworden. Höchstens 20 Prozent des angelieferten Kaffees kommt heute noch in Säcken, der Rest wird aus dem Container direkt in die Silos gekippt. „Da brauchen sie einen, der den Lkw fährt und einen Controlleur, das war’s.“ 310 Menschen haben bei Vollers in Bremen mal gearbeitet, heute sind es 100 weniger: „Und das bei gleichem Volumen“.

Firmenchef Lüder Vollers selbst hat einmal Küper gelernt. Als qualifizierter Hafenarbeiter konnte er, so heißt es in der Fachsprache, Muster, also Proben ziehen, Beschädigungen erkennen und die Ware entsprechend behandeln. „Da drüben“, sagt er, und zeigt auf die Kaje vor Schuppen 14, „da landeten die Schiffe aus Äthiopien“.

In den vergangenen Jahren dagegen habe er „seinen Leuten“ mühsam beigebracht: „Ihr seid keine Hafenarbeiter mehr“. Hafenarbeiter werden nach einem sehr viel besseren Tarif bezahlt als die so genannte „Fachkraft für Lagerwirtschaft“, zu der die Arbeiter inzwischen geworden sind. Aber auch wenn die Personalkosten auf diese Weise gesenkt werden konnten, so hat der Unternehmer Vollers doch noch Handicaps.

„Wir sitzen hier in Lägern, die nicht mehr zeitgemäß sind“, sagt er und weist mit großer Geste auf die siebenstöckigen Speicher. „So ein Stockwerkslager ist viel personalintensiver als die neuen, flachen Lagerhallen“. Ästhetisch und vom Flächenverbrauch her sind die zwar ein enormer Rückschritt, aber vom unternehmerischen Standpunkt aus stellt sich die Sache simpel dar: „Die Säcke müssen mit dem Fahrstuhl auf die Etagen verteilt werden, da brauche ich in Bremen fünf Mann für 100 Tonnen. In Antwerpen brauche ich drei für 125 Tonnen.“

Kein Wunder, dass er seinen Standort im Überseehafen durchaus aufzugeben bereit wäre. „Ich bin in dieser Debatte ein Außenseiter“, sagt Vollers. „Ich könnte überall hin, in den Industriehafen, in die Hemelinger Marsch oder nach Hamburg.“ Das Problem: Er kann es sich nicht leisten. „Ich habe der Stadt meine Speicher und Schuppen zum Verkauf angeboten, aber die haben ja auch kein Geld“, sagt er schmunzelnd. „Da müssen wir eben noch eine Weile warten, bis unsere Lager abgeschrieben sind und die Stadt da Freudenhäuser, Discos oder Kulturvereine reinsetzen kann.“ Ein wenig Spott ist durchaus rauszuhören, wenn er auf die grauen Flächen vor den Kajen zeigt und sagt: „Hier soll ja mal das Zentrum Bremen entstehen“. Aber seine Anschauung der Debatte um die alten Hafenreviere ist eben eine durch und durch realtitätsgetränkte. „Ich würde hier weggehen, aber die Stadt hat das Geld nicht, so einfach ist das. In Hamburg hätten sie hier Hafentower Nummer sieben hingebaut“, mutmaßt er. Damit hat er vielleicht nicht ganz unrecht. Speicherhof und Europahafen, wo Vollers noch vor kurzem Flächen dazugepachtet hat, zählen zu den attraktivsten Arealen in der Überseestadt. Das lang gezogene Hafenbecken ist gesäumt von historisch interessanten Gebäuden wie dem Speicher 1 und lässt jede Menge Blick aufs Wasser zu.

Aber auch was die Umnutzung der Hafenreviere zu Wohnquartieren angeht, verströmt Lüder Vollers spöttische Gelassenheit. „Wir haben da ja so unsre Erfahrungen mit der Nachbarschaft von Wohnen und Gewerbe“, sagt er. Direkt an den Speicherhof und die Lkw-Rangierflächen grenzt nämlich das Waller Wied, die einzige Siedlung im Hafen, deren Bewohner einst das Recht erstritten haben, trotz zahlreicher Regelungen, Zollzäune und Hochwasservorschriften dort zu wohnen. Die Beschwerden aus dem Waller Wied wegen des Lärms der angrenzenden Industrie- und Speditionsfirmen sind während der Amtszeit von Lüder Vollers nicht weniger geworden. „Früher“, sagt der Senior, „haben da Hafenarbeiter gewohnt. Wenn unsre Lkw um Viertel nach Fünf losfahren, da waren die schon beim Zähne putzen.“ Heute, glaubt er, wohnten da „Lehrer – und die schlafen eben noch um diese Zeit“. Elke Heyduck