Die unbändige Wut der Beamten

Protest-Happening vor dem Rathaus: Die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes mobilisieren ihre Mitglieder und recken dem Bürgermeister die „Rote Karte“ entgegen

Bremen taz ■ Die Touristen vor dem Rathaus griffen gestern Vormittag noch verzückter zur Digitalkamera als sonst: Gewerkschaft der Polizei (GdP), Deutscher Beamtenbund, Deutsche Steuergewerkschaft und Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hatten zum großen Protest-Happening des öffentlichen Dienstes geblasen – mit Sirenengeheul, Blaulicht und Trillerpfeifen: „Wir fühlen uns belogen, betrogen und verkauft“, schrie es von den Transparenten der Uniformierten. Oder auch: „Sitzen die wahren ‚Verbrecher‘ im Senat?“

Der Hintergrund: Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) plant, Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst das Urlaubsgeld zu streichen und das Weihnachtsgeld zu halbieren. Auch soll der Senat laut einem Eckpunktepapier Nußbaums mit den Gewerkschaften einen am Berliner Modell „Entgelt gegen Freizeit“ angelehnten Tarifvertrag aushandeln: Die Gehälter würden um bis zu 12 Prozent gekürzt und die Arbeitszeit im Gegenzug gesenkt – nur so könnten betriebsbedingte Kündigungen verhindert werden.

Reflexartig ertönt nun im öffentlichen Dienst der große Katzenjammer: Es scheine „in dieser Stadt merkwürdigerweise keine Demokratie mehr zu geben“, klagte GdP-Chef Dieter Oehlschläger: „Schriftlich“ hätten ihm SPD und CDU vor der Wahl zugesichert, bei der Polizei kein Personal einzusparen und von einer Öffnungsklausel bei der Beamtenbesoldung keinen Gebrauch zu machen. „Was ist das für ein Demokratieverständnis, wenn die Regierung etwas macht, was die Parteien nicht wollen?“, fragte Oehlschläger.

„Wer unfair spielt, bekommt den Platzverweis“, lautete die Quintessenz des Ober-GdPlers. Prompt reckten über tausend Demonstranten rote Karten mit Scherf-Konterfei in Richtung Rathaus, mit denen sie „gegen massive Besoldungseinschnitte und Sozialabbau“ protestierten.

Oehlschläger beschuldigte den Senat des „modernen Sklaventums“ und griff zum oskarlafontaineschen Allheilrezept: „In Wahrheit mangelt es der Konjunktur in Deutschland an der Binnennachfrage.“ Statt sich „hemmungslos die eigenen Taschen voller Geld zu stopfen“ und „die ganze Last auf die ohnehin schon gebeutelte Arbeitnehmerschaft abzuwälzen“, sollte der Senat lieber „im Bundesrat eine Novelle für eine vernünftige Einnahmepolitik einbringen“. Es werde Zeit, dass sich auch wieder die Reichen und die Unternehmen an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligten.

CDU-Fraktionsvorsitzender Jörg Kastendiek wollte den „nicht abgestimmten Eckwertevorschlag des Finanzsenators“ gestern gegenüber der taz nicht kommentieren. „Erst einmal soll Herr Nußbaum seine Hausaufgaben machen und zu vernünftigen Eckwerten kommen“, sagte Kastendiek. Dann werde man sehen, was erforderlich sei und was nicht. Bremerhavens CDU-Fraktionschef Paul Bödeker ging noch weiter: Er bezeichnete die Nußbaum-Pläne als „finanzpolitisches Gewurschtel auf dem Rücken der Beschäftigten“. Das Vorhaben, die Arbeitszeit im Tausch gegen Freizeit zu reduzieren, sei „blanker Unsinn“. jox