Wege aus dem Verkehrsinfarkt

Der Ausbau einer still gelegten Bahntrasse zu einem Autobahnzubringer spaltet Bergisch Gladbach seit langem. Lobbyisten ärgert „Stillstand“. Vor der Kommunalwahl kommt Bewegung in die Sache

Von Kirsten Pieper

Die Fronten in Sachen Autobahnanschluss sind in Bergisch Gladbach verhärtet. Auf der einen Seite steht der Verein „Autobahnzubringer“. Seine Mitglieder, an die hundert nach eigenen Angaben, wollen mit dem Ausbau eines alten, 3,6 Kilometer langen Bahndamms die Innenstadt von Bergisch Gladbach entlasten. Auf der anderen Seite sind da elf Bürgerinitiativen, die das Vorhaben als „städtebauliche Schandtat“ bezeichnen. Bei der Trasse handelt es sich um eine Reststrecke des Bahndamms von Bergisch Gladbach nach Bensberg aus dem Jahr 1870, über die Eisenerz abtransportiert wurde. Die Schienen führen zudem vom heutigen Gewerbegebiet der Stadt in Richtung A 4.

Als Basis für eine Entlastung der Innenstadt sei das wie geschaffen, findet Fritz Roth von „Autobahnzubringer“. „Die Abgase im Zentrum können wir keinem mehr zumuten“, meint der Bestattungsunternehmer. Roth fordert ein Verkehrskonzept, „mit dem wir auch in 60 Jahren noch leben können“. Dabei sei es ihm egal, wo der Autobahnzubringer entstehe, ihm komme es darauf an, „dass in meiner Stadt endlich was passiert“.

Um ihr Anliegen durchzusetzen, greifen die Mitglieder des Vereins schon mal in die eigene Tasche. Auf seiner Internetseite wirbt „Autobahnzubringer“ für den Ausbau der Bahntrasse. Schon länger verteilt der Verein auf Wochenmärkten Flugblätter und sammelt Unterschriften. Geplant sind neben diverser Aktionen auch Anzeigen in Zeitungen. „Wir setzen auf die Vernunft unserer Bürger“, so Roth.

„Von wegen Bürgerinteresse“, schimpft Liane Schneider. Sie bezeichnet „Autobahnzubringer“ als „Lobbyverein mit vitalen Eigeninteressen“, der aus Immobilienmaklern und Industriellen bestehe. Schneider ist Sprecherin des Zusammenschlusses „Rettet unsere Stadt im Grünen“. Seit 1996 arbeiten darin elf Bürgerinitiativen zusammen, um die Nutzung der Bahntrasse zu verhindern, nicht zuletzt, weil der Ausbau der seit 20 Jahren still gelegten Strecke die östlichen Ausläufer des denkmalgeschützten Villenviertels Alt-Frankenforst berühren würde, in dem Schneider und weitere Mitglieder der Initiativen wohnen.

„Private“ Anbindung

Liane Schneider wirft „Autobahnzubringer“ vor, dass seine Mitglieder zum Teil Strohmänner der Unternehmen Krüger und M-real Zanders seien, der zwei größten Arbeitgeber der Stadt. Und denen gehe es in erster Linie um eine eigene, „private“ Autobahnanbindung.

Dabei könne solch eine Autobahnanbindung allein die Verkehrsprobleme in Bergisch Gladbach nicht lösen, meint Schneider. Verantwortlich für den täglichen Verkehrsinfarkt macht sie nicht das Aufkommen von Transportern und anderen Nutzfahrzeugen, sondern den „überdimensional hohen innerstädtischen Verkehr“. Statistiken belegen: Bergisch Gladbach hat eine vergleichsweise hohe PKW-Dichte. Während in der Stadt im Bergischen pro tausend Einwohner 578 Autos zugelassen sind, kommen etwa in der benachbarten Rheinmetropole „nur“ 478 Vehikel auf 1.000 Kölner. Hochgerechnet auf die knapp 110.000 Einwohner verstopfen 61.000 Autos die Straßen von Bergisch Gladbach. Für Schneider sind die Zahlen der Beweis: „Das Problem lässt sich nicht durch einen Autobahnzubringer lösen.“

Die Tunnellösung

Zu diesem Ergebnis kommen auch etliche Gutachten, die in den letzten Jahrzehnten teils von der Stadt, teils von privater Seite in Auftrag gegeben worden sind. Untersucht wurden sämtliche Varianten, die nur ansatzweise machbar erschienen. Die Entlastungsbefürworter haben sich nun , wie es scheint, auf den Ausbau der Bahntrasse eingeschworen. Die Schienen sind inzwischen von Pflanzen überwuchert, ein grünes Band zieht sich von Norden nach Süden entlang der Gleise, die Hänge sind mit Bäumen bewachsen, Wohngebiete, Altenheime, Naherholungsgebiete säumen die Gleise.

Um dem Widerstand von Anwohnern und Naturschützern den Wind aus den Segeln zu nehmen, erwärmen sich die Verfechter der Entlastung derzeit für die Tunnellösung. Eines der letzten Gutachten vom November 2003 kommt zu dem Ergebnis: „Der zu untersuchende Straßentunnel ist aufgrund der schwierigen bautechnischen Rahmenbedingungen und der so genannten umfangreichen Betriebsausstattung besonders kostenaufwändig. Neben den hohen Herstellungskosten werden die laufenden Betriebs- und Unterhaltskosten den städtischen Haushalt auf Dauer erheblich belasten.“

Nur für den Bau der Trasse mit Tunnelteilen, so schätzen Experten, müsste die Stadt weit über 60 Millionen Euro berappen. Außer Acht bleibt bei der Summe jedoch ein Punkt: Probebohrungen hatten 1999 ergeben, dass der Bahndamm mit hochverseuchtem Schlick aus der ehemaligen Zinkhütte Bensberg aufgeschüttet worden war. Die Kosten für eine umweltgerechte Reinigung sind in der genannten Rechnung noch nicht enthalten.

Fritz Roth ärgert das ewige Lamento über die Finanzlage. „Wer immer nur mit dem Geldargument kommt, wird nie etwas erreichen“, meint er. Unlängst wurde die Vermutung laut, einzelne, potente Mitglieder könnten, sollte „Autobahnzubringer“ mit seinen Bemühungen scheitern, die Trasse aus eigener Tasche vorfinanzieren.

Parteipolitisches Kalkül

Die örtliche Politik gibt sich in der Frage verhalten. Die CDU wurde bisher von den Wählern trotz „Stillstand“ in Sachen Bahntrasse nicht abgestraft. Seit Menschen Gedenken hält sie im Stadtrat von Bergisch Gladbach die Mehrheit. Ob die örtlichen Christdemokraten auch nach der Wahl am 26. September die Geschicke der Stadt noch lenken, bleibt abzuwarten. Denn ihre Klientel sitzt auf beiden Seiten der Trasse. Am Donnerstag wird die Union ihr Wahlprogramm verabschieden. Darin werde die Partei auch zur Bahntrasse Position beziehen, kündigte Parteichef Thomas Cüpper an, auch wenn man keinen vor den Kopf stoßen wolle. Hinter vorgehaltener Hand wird jedoch gemunkelt, dass „bei den derzeitigen finanziellen Mitteln“ mit einem Ausbau der Trasse nicht zu rechnen sei.

Geschlossen hinter dem Projekt Bahntrasse steht die SPD, obwohl sich die Partei seit der letzten Kommunalwahl vor fünf Jahren in diesem Punkt aus welchen Gründen immer um 180 Grad gedreht hat. Die stellvertretende Bürgermeisterin Helene Hammelrath (SPD) begründet den plötzlichen Richtungswechsel mit der Tatsache, dass das Verkehrsaufkommen eben größer geworden sei, als ursprünglich angenommen. Sie denke dabei besonders an die Unternehmen und die Arbeitsplätze.

Grüne: „Realsatire“

Magda Ryborsch, Fraktionsvorsitzende der Grünen, bezeichnet das Schauspiel nur noch als „Realsatire“. „Wie die Schlange auf das Kaninchen guckt man auf den Autobahnzubringer und hat dabei nur die Wählerstimmen im Auge“, sagt Ryborsch. Da würden Energien und Kapazitäten verschwendet und in „Wolkenkuckucksheime“ gesteckt, während im Kinder- und Jugendbereich rigoros gespart werde. Die Grünen halten nichts von der geplanten Entlastungsstraße. Sie fordern stattdessen attraktivere Angebote im öffentlichen Nahverkehr, den Ausbau von Busspuren und die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene. Mit dem Geld, das in den letzten Jahrzehnten in das „Monopolyspiel der Reichen“ gesteckt worden sei, hätte man schon längst die Lücken im Radwegenetz schließen können, meint Ryborsch. Da sei nämlich in den letzten Jahren rein gar nichts gemacht worden.

CDU und SPD haben im Hauptausschuss vor einem knappen Jahr dafür gesorgt, dass dem Land NRW ein Antrag vorliegt. Das Verkehrsministerium in Düsseldorf prüft nun, ob der Ausbau der Bahntrasse in den Landesverkehrswegeplan aufgenommen werden kann. Das bedeutet zwar noch lange nicht, dass die Straße dann gebaut wird, erhöht aber die Chance, als Landestraße eingestuft zu werden, deren Bau dann zum überwiegenden Teil das Land übernehmen würde.