Sachsen schämt sich für den Aufbau Ost

Zwei Jahre nach der Flut sprechen die Sachsen nur ungern über die Erfolge beim Wiederaufbau. Denn eine sächsische Ministerin sanierte von Hilfsgeldern ihr Haus und manche Gemeinde hat neue Radwege. Doch wirklicher Missbrauch ist selten

AUS DRESDENMICHAEL BARTSCH

„So stünden wir ohne die Flut heute nicht da!“ Zwei Jahre nachdem die Mulde das mittelsächsische Döbeln unter Wasser setzte, schaut ein alter Döbelner stolz auf frische Fassaden. „Die Stadt hat sich mächtig herausgemacht.“ Am ersten Septemberwochenende soll hier der „Tag der Sachsen“ nachgeholt werden, der damals dem Hochwasser zum Opfer fiel. Spuren der Flut sind nur noch vereinzelt zu erkennen, hart gewordener Schlamm hat hier und da Fußspuren festgehalten. Jaja, „sehr schön“ sei das wieder geworden, sagen drei ältere Frauen.

Mitmachen will die Flut keiner noch einmal. Auch nicht für den Preis der damals reichlich sprudelnden Hilfsgelder. Kaum jemand traut sich die Erfolge des Wiederaufbaus zu loben. Ministerpräsident Georg Milbradt hatte damals auch eher mit geschlossenen Zähnen einigen Journalisten zugeraunt, die Fluthilfe sei auch ein unerwartetes kommunales Investitionsprogramm. Makaber, gewiss, aber zutreffend.

Milbradt konnte damals noch nicht wissen, dass ihm zwei Jahre später die Katastrophe den Titel „Ministerpräsident des Jahres“ einbringen würde. Pünktlich zum Landtagswahlkampf verliehen von der Wirtschaftswoche und der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“. Denn Milbradt soll Sachsen mit 1,5 Prozent Wirtschaftswachstum an die Spitze aller Bundesländer gebracht haben. 1,9 Milliarden Euro Flutgeld halfen ihm dabei. Der leichte Aufschwung sei „vor allem dem Sondereffekt Flutschadensbeseitigung zuzuschreiben“, bestätigt auch der Ostdeutsche Bankenverband in seinem Junibericht. Profitiert habe vor allem die kriselnde Baubranche.

„Selbstverständlich erfolgt die Erneuerung und Wiederherstellung nach heutigen Standards“, heißt es übereinstimmend in der Sächsischen Staatskanzlei und im Städte- und Gemeindetag. So freut sich der Radfahrer über neue Abschnitte des Elberadweges, und in Dresden werden Straßen gebaut, die ohne Flutgeld frühestens nach der nächsten Wende eine Chance gehabt hätten.

Wirkliche Missbrauchsfälle sind aber selten. Von 500 Maßnahmen für die kommunale Infrastruktur prüft der Landesrechnungshof 32 genauer. Dabei sind vor allem solche, bei denen Schäden in auffälliger Höhe nachgemeldet wurden. Wie viele harte Fälle nach den jetzt abgegebenen Stellungnahmen der Regierungspräsidien übrig bleiben, wird der Jahresbericht des Rechnungshofes im November zeigen. Die Sächsische Aufbaubank fordert 19 Millionen Euro von Hilfsgeldern an Unternehmen und Wohneigentümer zurück, das sind nur 1,2 Prozent der Gesamtsumme. Lediglich in 20 Fällen besteht ein Betrugsverdacht. Missbrauchsvorwürfe wegen Reparaturen an ihren Privathäusern haben allerdings schon prominente Opfer gefordert. Sozialministerin Christine Weber (CDU) musste zurücktreten, derzeit wird auch gegen die sozialpolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Kerstin Nicolaus, ermittelt.